Engelslieder
Blick zu, der den Eindruck vermittelte, dass er nicht allzu viel von Frauen hielt. “Und was für Informationen haben Sie für mich?”
Ben rollte das Blatt mit der Phantomzeichnung auf. “Dieser Mann wurde als Beteiligter an zwei Entführungsfällen identifiziert – der eine liegt sechs Jahre zurück, der andere zwei Monate. Möglicherweise lebt er in dieser Region.”
Der Sheriff betrachtete das Bild. “Wieso denken Sie, dass er etwas mit dem Vreeland-Mord zu tun hat?”
“Wir haben keine stichfesten Beweise, aber wir sind einigen Hinweisen gefolgt, die uns hierhergeführt haben.”
Der Sheriff sah ihn misstrauisch an. “Was hat das alles mit Ihnen zu tun?”
“Meine Tochter ist eines der Entführungsopfer.”
“Ach, tatsächlich …” Sheriff Crawford sah sich die Zeichnung genau an, las die Beschreibung darunter, rollte das Papier wieder auf und gab es Ben zurück. “Sie glauben, dieser Typ könnte in einen Mord verwickelt sein, aber Sie haben keinerlei Beweise, sondern nur diese sogenannten
Hinweise
, denen Sie gefolgt sind.”
“Das ist korrekt. Wir hatten gehofft, Sie könnten uns helfen, seine Identität herauszufinden.”
Der Sheriff zuckte mit den fleischigen Schultern. “Könnte jeder sein. Hier gibt’s viele hellhäutige Leute. Vor langer Zeit siedelten sich hier Norweger an, die kamen wegen des Holzes.”
Ben tippte auf die aufgerollte Zeichnung. “Dann kommt er Ihnen also nicht bekannt vor?”
“Eher nicht. Was hat eine Entführung mit Mord zu tun?”
Es war Autumn, die darauf antwortete. “Das wissen wir nicht, Sheriff. Wir dachten nur, die Vorfälle könnten zusammenhängen.”
“Hmm, ich weiß nichts von einer Kindesentführung, und der Mord wird bislang noch untersucht. Wenn Sie nicht mehr für mich haben, dann war’s das wohl, oder?”
“Ja”, erwiderte Ben ein wenig gereizt. “Zumindest für den Moment.”
Die Lippen des Sheriffs wurden schmal. “Wenn ich Sie wäre, würde ich schnell wieder dorthin fahren, wo ich herkomme. Die Leute hier legen großen Wert auf ihre Privatsphäre. Sie mögen keine Fremden, die herumschnüffeln, die Nase in ihre persönlichen Angelegenheiten stecken und Fragen stellen.”
“Soll das eine Warnung sein?”, fragte Ben.
“Sie haben es erfasst. Ich ermahne Sie, sich aus den Ermittlungen zu dem Mordfall in Warren County herauszuhalten. Ansonsten werden Sie Schwierigkeiten bekommen.”
Ben verlor kein weiteres Wort, sondern legte einfach nur eine Hand auf Autumns Taille und bugsierte sie zur Tür. Als sie in den Pick-up stiegen und die Sicherheitsgurte anlegten, musste Autumn ein Schaudern unterdrücken.
“Sympathischer Kerl”, spottete sie.
“Ich verstehe, warum er der Sheriff ist. Er passt perfekt zu den anderen Ahnungslosen hier oben.”
Sie musste lächeln. “Fahren wir zurück nach Hause?”
“Zuerst will ich noch mit Deputy Cobb reden. Da er offenbar nicht hier in Beecherville ist, wird er entweder in Warren sein oder immer noch in Ash Grove. Wahrscheinlich wollen sie den Tatort im Auge behalten. Wir fahren morgen früh noch mal hin.”
“Du glaubst, du schaffst es, ihn zum Reden zu bringen? Bisher hatten wir dahingehend ja nicht gerade viel Glück.”
“Einen Versuch ist es allemal wert. Ich habe das Gefühl, er weiß etwas, das wir nicht wissen, und er schien immerhin ein bisschen redseliger als die anderen Leute, mit denen wir gesprochen haben.” Ben startete den Motor. “Lass uns etwas essen und zurück ins Motel fahren.”
26. KAPITEL
A uf der schmalen, kurvenreichen Straße ging es auf dem Rückweg nach Ash Grove nur langsam voran. Als sie an dem altersschwachen Flachdach-Motel im Fünfzigerjahrestil ankamen, wurde es bereits dunkel. Autumn war müde und frustriert, und sie wusste, dass Ben sich noch schlechter fühlte. Ohne viel zu sprechen, zogen sie sich aus und legten sich ins Bett. Als Ben ihr einen Gutenachtkuss gab, heizte sich die Stimmung auf.
Nachdem sie sich leidenschaftlich geliebt hatten, lagen sie verschwitzt und gesättigt nebeneinander und schliefen ein. Während sie dahindämmerte, versuchte Autumn, nicht darüber nachzudenken, wie sehr sie den Sex genossen hatte, wie sehr sie es genossen hatte, mit Ben zusammen zu sein. Ihre wachsende Zuneigung war beängstigend.
Darum kümmere ich mich, wenn die Sache vorbei ist, sagte sie sich und vergrub den Gedanken unter der dringlicheren Aufgabe, Molly zu finden.
Autumn wusste nicht, wie spät es war, als ein Rascheln sie aus dem Schlaf
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