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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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du das zweite Mal deinen Hafturlaub eigenmächtig verlängert hast.«
    Der Junge stand stocksteif da und sein Gesicht zeigte keine Regung, während Luce, die bei dem Wort »Hafturlaub« zusammengezuckt war, von der Frau zur Tür auf der anderen Seite der neonbeleuchteten Eingangshalle geschoben wurde.
    »Weitergehen«, sagte sie, als sei nichts. »Da schlaft ihr.« Sie zeigte durch das Fenster auf ein graues Gebäude. Gabbe und Todd gingen gerade darauf zu. Der dritte Junge trottete langsam hinterher, als wollte er unter allen Umständen vermeiden, die beiden einzuholen.
    Das Wohnheim war groß und eckig, ein massiver Betonklotz mit schweren Doppeltüren. Keine Spuren von Leben. Eine große Steintafel stand davor auf dem toten Rasen, und Luce erinnerte sich jetzt, auf der Website der Schule gesehen zu haben, dass dort die Worte WOHNHEIM PAULINE eingemeißelt waren. In der dunstigen Vormittagssonne sah es noch hässlicher aus als auf dem Schwarz-Weiß-Foto im Internet.
    Selbst aus der Entfernung konnte Luce erkennen, dass die Fassade hässlich gealtert war. Sämtliche Fenster waren mit dicken Eisenstäben vergittert. Sie kniff die Augen zusammen. Konnte es sein, dass da auf dem Zaun rings um das Gebäude tatsächlich Stacheldraht angebracht war?
    Die Frau blätterte in ihren Unterlagen, fuhr mit dem Finger eine Liste entlang, bis sie Luces Namen fand. »Zimmer dreiundsechzig. Stell dein Gepäck erst mal in meinem Büro ab, wie die anderen auch. Auspacken kannst du dann heute Nachmittag.«
    Luce schleppte ihre schwere Reisetasche in das Büro, wo
sie sie neben drei schwarzen Koffern auf den Boden plumpsen ließ. Danach griff sie reflexhaft in die Hosentasche, um ihr Handy hervorzuholen, auf dem sie normalerweise alles eintippte, was sie keinesfalls vergessen durfte. Aber ihre Hosentasche war leer. Sie seufzte und versuchte, sich die Zimmernummer einzuprägen.
    Warum sie nicht einfach bei ihren Eltern wohnen konnte, wollte ihr immer noch nicht einleuchten. Ihr Haus in Thunderbolt war nicht einmal eine halbe Stunde von der Sword & Cross entfernt. Wie schön es gewesen war, wieder zu Hause in Savannah zu sein, wo sogar der Wind träger wehte, wie ihre Mutter immer zu sagen pflegte. Der sanftere, ruhigere Gang des Lebens in Georgia gefiel Luce. Sie fühlte sich hier viel wohler als in New England.
    Nur dass sich die Sword & Cross so überhaupt nicht wie Savannah anfühlte. Ehrlich gesagt, fühlte sich die Sword & Cross wie nirgendwo sonst auf der Welt an, so leblos und farblos, wie ein Ort außerhalb der normalen Welt. Aber hier sollte sie nun in die Schule gehen, dazu hatte das Gericht sie verurteilt.
    Sie hatte zufällig mitgehört, wie ihr Vater damals mit dem Schulleiter telefoniert hatte. Leicht verwirrt, immer etwas der zerstreute Biologie-Professor, hatte er genickt und gesagt: »Ja, ja, wahrscheinlich haben Sie recht, es wird nur zu ihrem Besten sein, wenn sie die ganze Zeit überwacht wird. Nein, nein, wir wollen uns nicht in Ihre Erziehungsmethoden einmischen.«
    Eins war klar: Ihr Vater hatte bestimmt nicht geahnt, wie weit die Überwachung seiner einzigen Tochter gehen würde. Dieser Ort war keine Schule, sondern ein Hochsicherheitsgefängnis.
    »Und was meinten Sie mit - wie haben Sie gesagt? Ach
ja, mit dem Rotlicht?«, fragte Luce die Frau, um die Einführungsrunde möglichst schnell hinter sich zu bringen.
    »Rotlicht«, sagte die Frau und deutete auf ein kleines elektrisches Gerät mit Kabel, das an der Decke angebracht war: eine Linse mit einem blinkenden roten Licht. Luce war das vorher nicht aufgefallen, aber nachdem die Frau sie darauf hingewiesen hatte, bemerkte sie die Geräte überall.
    »Kameras?«
    »Sehr gut«, sagte die Frau gönnerhaft. »Wir haben sie so deutlich sichtbar angebracht, damit ihr stets daran erinnert werdet, dass ihr hier unter Überwachung steht. Wir beobachten euch immer und überall. Deshalb solltet ihr besser versuchen, alles richtig zu machen, und nicht ausrasten - soweit ihr dazu in der Lage seid, natürlich.«
    Jedes Mal, wenn jemand mit Luce sprach, als wäre sie ein totaler Psychopath, fing sie selbst fast an zu glauben, dass sie tatsächlich einer war.
    Den ganzen Sommer über hatten sie die Erinnerungen gequält und verfolgt, in ihren Träumen und in den seltenen Augenblicken, in denen ihre Eltern sie allein ließen. Irgendetwas war damals in der Umkleidekabine geschehen, und alle (Luce eingeschlossen) hätten nur allzu gerne gewusst, was.
    Die Polizei, die Richter,

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