Engelspakt: Thriller (German Edition)
erforscht, aber Aaren war mit ihren vierzehn Jahren durchaus etwas Besonderes. Ihre Fähigkeiten hatten sich in der Pubertät noch verstärkt, und auch einige neue waren hinzugekommen. Aaren und er waren die größten Rätsel des Doktors.
»Solange du funktionierst, solange du ihre Neugierde wecken kannst, bist du sicher«, hatte Aaren einmal gesagt. »Gib also niemals zu viel von dir preis.«
David hatte genickt, aber nichts darauf erwidern können, denn der Doktor, die treibende Kraft des Instituts, hatte den Freizeitbereich betreten und Aaren für eine weitere Testreihe in der untersten Ebene abgeholt. Das war jetzt drei Tage her. Seitdem hatte er Aaren nicht mehr gesehen. Er hatte schon einige Male erlebt, dass seine Freundin für ein paar Tage verschwunden war, aber diesmal hatte er dabei ein seltsames Gefühl, fast als spürte er, dass es ihr nicht besonders gut ging.
Erst ein einziges Mal war David in der untersten Ebene des Laborbereichs gewesen, in jenen Tunneln, in denen es weder eine simulierte Nacht noch einen simulierten Tag gab, nur rotes, gedämpftes Licht und in jeder Tür ein Kontrollfenster. Das Herz hatte ihm bis zum Hals geschlagen, so laut gepocht, dass Ambrose, der Aufseher, und der Doktor es eigentlich hätten wahrnehmen müssen. Aber sie hatten es nicht gehört, sie bemerkten die Angst der Projekte nie.
Bis heute hatte David nicht die geringste Ahnung, was sie dort unten mit ihm gemacht hatten. Ambrose hatte ihn auf seine kühle, unbeteiligte Art auf eine Liege geschnallt, während der Doktor an der gegenüberliegenden Wand an irgendwelchen Geräten herumhantiert hatte. Kurz darauf war die Liege in eine weiße Röhre hineingefahren, in einen umgebauten Kernspintomografen. In dem milden, warmen Licht war David einfach eingeschlafen und erst zwei Tage später wieder aufgewacht.
Es mochte gut sein, dass Aaren in der weißen Röhre war, dass sie schlief oder dass sie wach war und Angst hatte.
David hatte Angst um Aaren.
Das elektronische Türschloss summte, und er schreckte hoch, als hätte man ihn bei seinen Gedanken ertappt. Die Tür ging nach außen auf, und ein grünes Licht flammte über ihr auf. Ambrose erschien im Durchgang, in seinem langen grauen Aufseherkittel, fast unsichtbar gegen das Grau der Wand, groß und dürr, als hätte man einen Windhund in einen Menschen verwandelt. Sein hageres Profil spiegelte sich leicht verzerrt im Sichtfenster. Vielleicht würde der Aufseher in zwanzig Jahren genau so aussehen.
»Doktor Zanolla hat eine Aufgabe für dich«, sagte Ambrose, ohne die Zelle zu betreten. Sein Blick fiel auf das Bild auf der Staffelei. Es zeigte ein menschenähnliches, versteinertes Monster voll dunkler Energie.
»Eine Aufgabe? Kein Test diesmal?«, fragte David und blickte in dunkle, nicht sonderlich intelligent erscheinende Augen. Aber der Eindruck trog. Aaren hatte ihm anvertraut, dass Ambrose sehr viel mehr begriff, als dem Doktor lieb sein konnte.
»Eine Aufgabe«, wiederholte Ambrose, während es schien, als nähme er kaum Notiz von David, dafür umso mehr von dem Monster.
David setzte seine getönte Brille auf, denn er wusste, dass vor allem seine hellen Augen den Aufseher irritierten. Mit diesen Augen sah David Dinge, die gewöhnlichen Menschen verborgen blieben, mit ihnen schuf er seine unheimlichen Bilder. Nach außen hin mochte der große, dürre Ambrose in den Augen und Bildern Davids eine unheimliche Bedrohung sehen, doch in Wahrheit faszinierte ihn Davids Kunst. Vielleicht würde es David eines Tages gelingen, den Aufseher als Freund zu gewinnen. Aaren hatte einen guten Draht zu Ambrose.
Sie gingen durch die endlosen grauen Gänge, ohne die Ebene zu verlassen, und hielten schließlich vor der Tür, die zu den dreiundzwanzig Grad warmen Isolationskammern führte. In einem Gespräch hatte David einmal gehört, dass die meisten Menschen sich nicht einmal annähernd vorstellen konnten, dass es solche Kammern gab. Die Isolationskammern dienten dazu, störende Einflüsse aus der Außenwelt fernzuhalten und die Konzentration des menschlichen Geistes zu stärken. Es war, als betrete man einen Ort, aus dem man hinaus-, aber in den man nicht hineinschauen konnte. Nur die Projekte durften diese Kammern betreten, um deren Verunreinigung zu vermeiden.
Als David die Isolationskammer F 3 betrat, vernahm er über die Sprechanlage die Stimme des Doktors. Der Wissenschaftler saß im angrenzenden Kontrollraum, von dem aus man alle drei F-Kammern gleichzeitig beobachten
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