Engelspakt: Thriller (German Edition)
weitere Spur.«
»Ich hoffe, Ihr Gesprächspartner war nicht Kardinal Gasperetti, Schwester«, sagte Giada leicht beunruhigt. »Was in dem Brief Seiner Eminenz steht, ist ausschließlich für Sie und Monsignore Rinaldo bestimmt. Einzig die prekäre Situation, in der Kardinal Ciban sich befindet, hat mich dazu veranlasst, meine Deckung aufzugeben und mich gelinde gesagt in Ihre Angelegenheiten einzumischen. Das darf aber nicht heißen, dass wir leichtsinnig werden und von jetzt an Hinz und Kunz vertrauen dürfen.«
»Das tun wir nicht«, erklärte Catherine fest.
»Wer war dann in der Leitung?«, schaltete Rinaldo sich vorsichtig ein.
»Der Generalinspektor. Signor Coelho wird uns in einer halben Stunde in Kardinal Cibans Wohnung erwarten. Er verfolgt ebenfalls eine Spur.« Sie wandte sich an Giada. »Sie wollte er als Nächstes anrufen.«
Giada schwieg einige Sekunden. Rinaldo blickte skeptisch drein.
Schließlich sagte die alte Nonne: »Wie es aussieht, vertrauen Sie Coelho.«
»Ich vertraue ihm mehr als den meisten Menschen im Vatikan. Und ich weiß, dass Kardinal Ciban ihm ebenfalls vertraut.«
Für einen Moment herrschte Stille.
Schließlich atmete die alte Nonne tief durch. »Also gut. Dann sollten wir uns jetzt sputen. Der Schleichweg ist nicht ohne, und ich bin nicht mehr die Jüngste.«
48.
Kardinal Gasperetti verharrte eine Weile am Fenster seines luxuriösen Arbeitszimmers und blickte auf die grüne Stille der Vatikanischen Gärten hinaus. Dann kehrte er zu seinem prächtigen Schreibtisch zurück und öffnete die Akte mit dem Material aus dem Geheimarchiv, die ihm einer seiner Getreuen nicht ganz rechtmäßig besorgt hatte.
Schon seit Längerem hatte der Kardinal ein wachsames Auge auf Bruder Anselmus geworfen, der für Ciban arbeitete und Schwester Catherine bei ihren Recherchen unterstützte. Mehrmals hatte Gasperetti versucht, den jungen Ordensmann unauffällig auf seine Seite zu ziehen, um endlich in Erfahrung zu bringen, wonach Ciban eigentlich forschte. Doch Anselmus war stur und durch nichts zu beeindrucken, außer durch die Schätze des Archivs. Daher hatte Gasperetti den Ordensbruder austricksen müssen, um herauszufinden, ob Schwester Catherine am Ende nicht sogar für Ciban arbeitete und womöglich in seine gegenwärtige Arbeit eingeweiht war.
Seit den todbringenden Ereignissen vor einem Jahr, über die Schwester Catherine sich beharrlich weigerte zu sprechen, hatte sich hinter den Kulissen des Vatikans mehr gewandelt, als nach außen hin sichtbar war. Die Ankündigung des Dritten Vatikanischen Konzils zeigte lediglich die Oberfläche dieser Veränderungen. Auch fiel es Gasperetti zunehmend schwer, den jüngeren Ciban einzuschätzen. Auf wessen Seite stand der Präfekt? Marc Ciban schien sogar hinter seinem Rücken Einfluss auf die Operationen des Lux Domini zu nehmen.
Dann hatte einer von Gasperettis getreuen Mitarbeitern im Archiv erfahren, dass Ciban sich verstärkt für den Großinquisitor Tomás de Torquemada interessierte. Nicht, dass Gasperetti ein persönliches Interesse an der Geschichte des mittelalterlichen Hexenjägers gehabt hätte, aber als Schwester Catherine gleichermaßen über diese historische Figur zu recherchieren begann, erschien es ihm durchaus angeraten, einen Blick auf das Material zu werfen.
Dummerweise hatte Gasperettis Spion keine Zeit gehabt, die von Bruder Anselmus zusammengestellten Unterlagen zu kopieren, und sich deshalb kurzerhand dafür entschieden, die Originale aus dem für Schwester Catherine bestimmten Ordner an sich zu nehmen. Originale, die das Archiv offiziell nicht hätten verlassen dürfen. Doch was bedeutete schon das Wort »offiziell«, wenn man sich in Gasparettis Position befand?
Der alte Kardinal holte tief Luft, fuhr sich müde und abgespannt mit der linken Hand über das schwarz gefärbte Haar und ging das Material zur Sicherheit noch ein letztes Mal durch.
Bei den ersten beiden Sichtungen der Unterlagen war ihm nicht das Geringste aufgefallen. Darüber hinaus war ihm die Biografie Torquemadas in groben Zügen bereits vertraut. Dass der Inquisitor einen großen politischen Einfluss als Berater und Beichtvater auf die spanische Monarchie gehabt hatte, wusste nun wirklich jeder auch nur halbwegs gebildete Kirchenmann. Warum also hatte Schwester Catherine sich dieses so gewöhnliche Material in den Archiven zusammenstellen lassen, wo eine kurze Recherche im Internet sie erheblich schneller zum Ziel geführt hätte?
Gasperetti
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