Engelspakt: Thriller (German Edition)
Wohnung schrecklich sein? Auch bezweifelte sie, dass es irgendwo in diesen Räumen unerträglich stank. Vermutlich verrottete hier auch nichts hinter irgendeiner Tür, es sei denn der Mülleimer wäre seit Wochen nicht mehr ausgeleert worden. Doch das hätten sie sicher gleich beim Betreten des Flurs bemerkt.
Lass die blöden Scherze, maßregelte sie sich selbst.
Die Situation war zu ernst, um sich durch kindische Übersprunghandlungen ablenken zu lassen. Andererseits hatte sie sehr wohl das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Sie befand sich in Cibans römischem Appartement, ohne eingeladen worden zu sein, auch wenn der an sie und Rinaldo adressierte Brief durchaus so etwas wie eine Aufforderung war, seine privaten Räume zu betreten.
»Wo sollen wir Ihrer Meinung nach am ehesten mit der Suche beginnen, Schwester?«, fragte sie Giada, um sich abzulenken.
»Am besten fangen wir mit dem Arbeitszimmer an«, erklärte die alte Nonne zielstrebig.
»Gut«, stimmte Catherine zu. »Aber zuvor sollten wir uns anhören, was der Generalinspektor zu sagen hat. Möglicherweise hilft uns das weiter.«
Just in dem Moment klingelte es zweimal an der Tür. Catherine hatte noch nie einen derart edlen und gleichzeitig bestimmten Klingelton gehört.
»Pünktlich auf die Minute«, stellte Giada fest, erhob sich und eilte auf den Gang hinaus.
Eine halbe Minute darauf kehrte sie in Begleitung des Generalinspektors in das Wohnzimmer zurück. Es war offensichtlich, dass Coelho nicht wirklich wusste, was er von der ganzen Situation halten sollte. Aber jetzt waren sie nun einmal alle hier, und sie verfolgten mehr als nur eine Spur.
Coelho grüßte, legte eine schmale schwarze Akte auf den Granittisch und nahm gegenüber von Catherine in einem Sessel Platz. Sein Blick fiel auf den zusammengeklebten Brief.
»Ihre Spur?«
Catherine nickte. »Vielleicht erkennen Sie mehr darin als wir. Wir stehen im wahrsten Sinne des Wortes vor einem Rätsel. Aber immerhin hat uns das Rätsel hierhergeführt.«
Coelho nahm das Blatt und studierte es. »Die Zahlen sind sehr wahrscheinlich Koordinaten.«
»Danke, Herr Kommandant, wir haben für diese Erkenntnis nur knapp zwei Stunden gebraucht.«
Coelho setzte ein Schmunzeln auf. »Das ist kein Kunststück, Schwester. Eines meiner Steckenpferde ist die Kartografie. Bei solchen Zahlenkombinationen denke ich sofort an Koordinatensysteme und Kartenprojektion. Was jedoch diesen Vers angeht, da muss ich erst einmal passen.«
»Dann werden wir die Wohnung Seiner Eminenz wohl auf den Kopf stellen müssen«, meinte Rinaldo.
»Nur über meine Leiche«, konterte Giada sofort. »Ich bin mir sicher, das wird gar nicht nötig sein.«
»Was ist mit Ihrer Spur?«, fragte Catherine Coelho.
Coelho zögerte.
»Wenn die Lage wirklich so brenzlig ist, wie Sie am Telefon sagten, sollten wir keine Zeit verlieren. Was hier geredet wird, bleibt selbstverständlich unter uns.«
Coelho wandte sich an Rinaldo und Giada. »Bitte nehmen Sie es nicht persönlich, aber ich muss Schwester Catherine zunächst unter vier Augen sprechen.«
Giada wechselte einen kurzen Blick mit Rinaldo und Catherine, dann nickte sie. »Einverstanden. Kommen Sie, Pater. Wir beide gehen in die Küche und sorgen für frischen Kaffee. Den werden wir brauchen, wenn die Suche losgeht.«
Nachdem Giada und Rinaldo die zweiflügelige Wohnzimmertür hinter sich geschlossen hatten, griff Coelho nach der Akte, die er mitgebracht hatte, schlug sie auf und reichte den Inhalt Catherine.
»Die Spur in London hat zu einem erstaunlichen Ergebnis geführt, Schwester. Wie Sie wissen, wollte ich es nicht glauben, aber der Professor hat Ihnen im Petersdom tatsächlich die Wahrheit gesagt.«
Catherine schaute auf den obersten Computerausdruck und blickte sofort wieder auf. »Kardinal Cibans Schwester war Scrimgeours Frau?«
Der Kommandant nickte. »Ich musste es auch zweimal lesen. Die Eheleute haben jedoch beide ihre Geburtsnamen behalten. Übrigens stimmt das Datum auf der Heiratsurkunde mit der Jahreszahl auf den Ringen überein. Unser Agent hat aber noch einige andere interessante Hinweise entdeckt. Blättern Sie bitte um.«
Catherine sah die Unterlagen weiter durch. Dabei fiel ihr Blick erst auf die Kopie einiger Hochzeitsbilder und dann auf einen Zeitungsartikel über eine gewisse Brenda-Thornton-Klinik. Sie erinnerte sich an ein Gespräch mit Kardinal Benelli von vor etwa einem Jahr, in dem es darum gegangen war, dass die Ursache für Sarah Cibans Tod nie
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