Engelsrache: Thriller
zurück und kramte einen Notizblock aus der Jackentasche.
»Der Mann hat sich an der Rezeption als John Paul Tester eingetragen und eine Adresse in Newport angegeben. Die Angaben stimmen mit den Daten in dem Fahrzeugschein überein, den wir im Handschuhfach seines Wagens gefunden haben. Seine Brieftasche ist verschwunden, falls er überhaupt eine bei sich gehabt hat. Nach Auskunft des Direktors ist er gestern Nachmittag hier eingetroffen und hat gesagt, dass er in einem Erweckungsgottesdienst predigen will. Und dann hat er angeblich noch gefragt, wo man hier einen guten Hamburger bekommt. Der Direktor hat ihm das Purple Pig empfohlen. Wir haben bei der Führerscheinstelle in Nashville bereits ein Foto angefordert, damit wir es hier bei den Ermittlungen herumzeigen können.«
Landers überlegte, warum Brown diese dürftigen Informationen von einem Notizblock ablesen musste. Der Bursche war in der Tat ziemlich beschränkt. Landers ging um das Bett herum und begutachtete den massigen Körper des Toten. An der Leiche waren Dutzende von Stichwunden zu erkennen, vor allem in der Hals- und Brustgegend.
»Also ein Prediger, hm. Scheint so, als ob jemand seine Predigt nicht gemocht hat.«
»Ja, sieht ganz so aus. Aber noch merkwürdiger ist: Jemand hat ihm den Schwanz abgeschnitten.«
»Jesus! Echt?« Bislang war Landers dieser kleine Umstand in dem Blutbad ringsum entgangen. Als er nun den Blick zwischen die Beine des Toten richtete, war dort nicht viel mehr zu erkennen als eine dunkelrote schleimige Masse. Bei der Wampe nicht ganz einfach, ihm das Ding abzuschneiden, dachte er. Wahrscheinlich hat der Fettwanst seinen Schwengel schon länger nicht mehr mit eigenen Augen gesehen.
»Und dann noch was«, sagte Brown. »Heute früh hat eine Frau bei uns angerufen. Sie wohnt draußen an der Pickens Bridge, und ihre Katze hat ihr ein kleines Geschenk angeschleppt: und zwar einen abgeschnittenen Penis. Der dürfte zu dem Herrn dort drüben gehören.«
Eine erstaunliche Leistung des logischen Denkens. »Und – haben Sie eine Ahnung, wie lange der Mann schon tot ist?«, fragte Landers.
»Er ist bereits kalt, die Leichenstarre hat schon eingesetzt. Würde mal sagen: länger als acht Stunden.«
»Überwachungskameras?«
»Nur an der Rezeption, sonst nicht.«
Ein Uniformierter klopfte an und kam herein. Er brachte ein großformatiges Foto des Toten und reichte es Brown, der es Landers in die Hand drückte.
»Sind Sie eigentlich hier, um uns bei den Ermittlungen zu helfen, oder wollten Sie sich bloß mal umsehen?«, fragte Brown.
»Ihr Wunsch ist mir Befehl, zumindest solange ich noch nicht selbst mit den Ermittlungen betraut bin.«
Brown bedachte ihn mit einem Du-Arschloch-Blick. »Dann sollten Sie vielleicht zuerst mal zum Purple Pig fahren und das Foto dort herumzeigen.«
»Wird gemacht«, sagte Landers. »Sonst noch was?«
»Nein, nicht dass ich wüsste. Meine Leute sind auf dem Weg zu der Frau, die gestern Abend an der Rezeption war. Ein paar Beamte inspizieren die übrigen Motelzimmer, und in Newport haben wir auch schon Nachforschungen eingeleitet. Die Spurensicherung ist ja unterwegs, haben Sie gesagt. Mehr können wir, glaube ich, im Augenblick nicht tun.«
»Super. Dann fahre ich jetzt mal zum Pig.«
Landers ging an den Uniformierten vorbei die Treppe hin-unter und stieg draußen in seinen Wagen. Dann entdeckte er eine Reporterin der Lokalzeitung von Johnson City, die vor dem Eingang herumlungerte. Sie hieß Sylvia sonstwas. Nicht gerade das heißeste Modell, aber auch nicht übel. Also stieg er wieder aus und ging zu ihr, um ein bisschen zu quatschen. Nebenher erwähnte er den abgeschnittenen Pimmel. Wer weiß, dachte er, vielleicht springt dabei ja mal ’n Blowjob für mich heraus.
Als er so die Roan Street hinunterfuhr, warf Landers gelegentlich einen Blick auf das Foto des toten Predigers. Der Mann hatte rötliches Haar, ein halbwegs ansehnliches Gesicht und lange breite Koteletten à la Elvis Presley. Sieht gar nicht übel aus der Bursche, dachte Landers, aber natürlich nicht meine Liga.
»Wie hast du es bloß geschafft, so zu enden, Hochwürden?«, sagte Landers zu dem Foto, als er auf den Parkplatz des Purple Pig fuhr. »Den alten Docht vielleicht am falschen Ende angezündet?«
12. April
10:20 Uhr
Caroline Dillard trug ein raffiniert geschnittenes, dunkelblaues Calvin-Klein-Kostüm. Am Eingang holte sie noch einmal tief Luft, drückte den Rücken durch und ging dann zur Rezeption. Hinter dem
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