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Engelsstimme

Engelsstimme

Titel: Engelsstimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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»Sie weiß um ihre Schuld, und sie denkt darüber nach, was schief gelaufen ist, wann es seinen Anfang nahm und weshalb. Ihr geht es nicht gut, aber sie hat angefangen, mit den Dingen ins Reine zu kommen. Das ist sehr schwer für sie, denn es ist zu spät, das, was geschehen ist, wieder gutzumachen.«
    »Hat sie gestanden?«
    »Ja«, sagte Erlendur. »Das meiste, im Grunde genommen. Sie hat es nicht direkt gestanden, aber sie weiß um ihren Anteil an der Sache.«
    »Das meiste? Was bedeutet das?«
    Ösp ging an ihm vorbei auf den Gang, holte Putzmittel und Lappen, kehrte dann zurück ins Badezimmer. Erlendur betrat das Zimmer und sah ihr beim Putzen zu, wie er es schon zuvor getan hatte, als die Lösung des Falls noch völlig im Dunkeln lag und sie durch so etwas wie Freundschaft verbunden gewesen waren.
    »Eigentlich alles«, sagte er. »Nur nicht den Mord. Das ist das Einzige, was sie nicht auf ihre Kappe nehmen wird.«
    Ösp sprühte Glasreiniger auf den Spiegel im Badezimmer und zeigte keinerlei Reaktion.
    »Aber mein Bruder hat sie gesehen«, sagte sie. »Er hat gesehen, wie sie auf ihren Bruder eingestochen hat. Das kann sie nicht leugnen. Sie kann nicht leugnen, dass sie da gewesen ist.«
    »Nein«, sagte Erlendur. »Sie war unten im Keller, als er starb. Bloß war es nicht sie, die ihn erstochen hat.«
    »Doch, Reynir hat es gesehen«, sagte sie. »Sie kann das nicht abstreiten.«
    »Wie viel schuldest du ihnen?«
    »Schulde was?«
    »Wie viel?«
    »Schulde ich wem? Worüber redest du eigentlich?«
    Ösp bearbeitete den Spiegel, als ginge es um Leben und Tod, als würde die Maske fallen, wenn sie damit aufhören würde, als wäre das gleichbedeutend mit einer Kapitulation. Sie sprühte, rieb und putzte – und vermied es, sich selber im Spiegel in die Augen zu schauen.
    Erlendur schaute ihr zu, und ihm fiel ein Satz aus einem Buch über Armenhäusler früherer Zeiten ein: Sie war ein Stiefkind dieser Welt.
    »Meine Mitarbeiterin Elínborg hat sich gerade eben deine Kartei bei der Notaufnahme angeschaut«, sagte er. »Bei der Notaufnahme für Vergewaltigungsopfer. Es gibt da vor ungefähr einem halben Jahr einen Eintrag. Es waren drei, in einer Hütte da oben am Rauðavatn. Mehr hast du nicht ausgesagt. Du hast gesagt, du wüsstest nicht, wer es gewesen ist. Sie haben dich am Freitagabend in der Innenstadt gekidnappt, sind mit dir im Auto zu dieser Hütte gefahren und haben dich einer nach dem anderen vergewaltigt.«
    Ösp putzte weiter den Spiegel, ohne ihn anzuschauen. Erlendur konnte nicht erkennen, ob das, was er sagte, sie irgendwie aus der Fassung brachte.
    »Du hast dich geweigert zu sagen, wer sie waren, und du wolltest keine Anzeige gegen sie erstatten.«
    Ösp sagte keinen Ton.
    »Du hast den Job hier im Hotel, aber das reicht nicht, um deine Schulden abzuzahlen, und ebenso wenig reicht es für deinen täglichen Konsum. Du hast sie mit kleinen Raten auf Distanz halten wollen. Klar, dass du das versucht hast, du kriegst ja auch immer wieder was von ihnen, aber sie haben dir trotzdem gedroht, und du weißt, dass sie sich nicht scheuen, ihre Drohungen wahr zu machen.«
    Ösp vermied es, ihn anzusehen.
    »Hier im Hotel wird überhaupt nicht gestohlen, nicht wahr?«, sagte Erlendur. »Das hast du nur gesagt, um uns zu täuschen, um den Verdacht in eine andere Richtung zu lenken.«
    Erlendur hörte Geräusche auf dem Gang. Elínborg und vier Polizisten erschienen draußen vor der Tür. Er gab ihnen ein Zeichen, zu warten.
    »Dein Bruder ist in derselben Lage wie du. Vielleicht habt ihr ja sogar ein gemeinsames Konto bei denen, keine Ahnung. Ihn haben sie genommen und brutal zusammengeschlagen. Er hat auch Drohungen bekommen. Eure Eltern haben Drohungen bekommen. Ihr traut euch nicht, diese Typen anzuzeigen. Die Polizei kann nichts unternehmen, weil es nur Drohungen sind. Und wenn sie euch was tun, wenn sie dich in der Innenstadt kidnappen und dich in einer Hütte am Rauðavatn vergewaltigen, dann weigerst du dich zu sagen, wer es war. Wie dein Bruder.«
    Erlendur schwieg eine Weile und beobachtete sie.
    »Vorhin hat mich ein Mann angerufen. Er arbeitet bei der Polizei, im Rauschgiftdezernat. Er wird manchmal von Leuten angerufen, die ihm etwas zutragen, wenn sie irgendwas auf der Straße und in der Drogenszene hören. Er bekam spätabends einen Anruf von einem Mann, der berichtete, ihm sei von einem jungen Mädchen erzählt worden, das vor einem halben Jahr vergewaltigt wurde. Sie wäre bisher immer in

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