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Engelsstimme

Engelsstimme

Titel: Engelsstimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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war immer äußerst höflich, und es hat sich nie jemand über ihn beschwert. So gesehen.«
    »So gesehen?«
    »Nein, es hat sich nie jemand über ihn beschwert. Er war im Grunde genommen ganz gut in seinem Job.«
    »Wo ist die Kantine, von der du gesprochen hast?«, fragte Erlendur.
    »Ich bringe dich hin.« Der Hotelmanager wischte sich den Schweiß von der Stirn und war offensichtlich erleichtert, dass sie das Hotel nicht schließen wollten.
    »Hat er häufig Besuch gehabt?«
    »Was?«, sagte der Hotelmanager.
    »Besuch«, wiederholte Erlendur. »Hier muss doch jemand bei ihm gewesen sein, den er gekannt hat. Hast du nicht den Eindruck?«
    Der Hotelmanager schaute auf die Leiche, und sein Blick blieb an dem Kondom hängen.
    »Ich habe keine Ahnung, was er für Freundinnen hatte.«
    »Du weißt nicht gerade viel über diesen Mann«, sagte Erlendur.
    »Er ist Portier hier«, sagte der Hotelmanager. Er war offensichtlich der Meinung, dass Erlendur sich mit dieser Erklärung zufrieden geben könnte.
    Sie verließen den Raum. Die Leute von der Spurensicherung rückten mit ihren Geräten und Apparaten an, und ihnen folgten weitere Polizisten. Es war nicht ganz einfach, sich an dem Hotelmanager vorbeizuzwängen. Erlendur trug ihnen auf, auch den Gang und die dunkle Ecke hinter dem Zimmer genau zu untersuchen. Sigurður Óli und Elínborg blieben noch kurz in dem Raum stehen und betrachteten die Leiche.
    »Also ich möchte nicht so gefunden werden«, sagte Sigurður Óli.
    »Ihn juckt das doch nicht mehr«, erwiderte Elínborg.
    »Nee, wahrscheinlich nicht«, sagte Sigurður Óli.
    »Ist da was drin?«, fragte Elínborg und zog eine kleine Tüte mit Erdnüssen hervor. Sie hatte immer etwas zu knabbern in der Tasche. Sigurður Óli hielt das für ein Zeichen von Nervosität.
    »Was drin?«, fragte er.
    Sie nickte in Richtung der Leiche. Sigurður Óli schaute sie einen Augenblick an und begriff dann, worauf sie hinauswollte. Er zögerte etwas, kniete sich dann aber hin und beäugte das Kondom.
    »Nein«, sagte er. »Nichts. Das Ding ist leer.«
    »Die hat ihn dann umgebracht, bevor er seinen Orgasmus hatte«, sagte Elínborg. »Der Arzt glaubte …«
    »Die?«, echote Sigurður Óli.
    »Ja, liegt das nicht auf der Hand?«, sagte Elínborg und stopfte sich eine Hand voll Erdnüsse in den Mund. Sie hielt Sigurður Óli die Tüte hin, der aber dankend ablehnte. »Kommt dir das Ganze nicht irgendwie nuttig vor? Er ist hier mit einer Frau zusammen gewesen«, erklärte sie. »Oder?«
    »Das ist die nahe liegendste Erklärung«, sagte Sigurður Óli und erhob sich.
    »Du glaubst aber nicht daran?«, fragte Elínborg.
    »Ich weiß es nicht. Ich habe keinen blassen Schimmer.«

Zwei
    Die Kantine für die Angestellten hatte wenig mit dem prunkvollen Foyer und den elegant eingerichteten Zimmern des Hotels gemeinsam. Es gab keinen Weihnachtsschmuck, keine Weihnachtsmusik, nur ein paar schäbige Küchentische und Stühle, Linoleum auf dem Fußboden, das an einer Stelle gerissen war, und in einer Ecke befand sich eine kleine Kücheneinheit mit Schränken, Kaffeemaschine und Kühlschrank. Es sah so aus, als ob hier nie sauber gemacht würde. Die Tische, auf denen überall dreckige Tassen herumstanden, waren übersät mit Kaffeeflecken. Die betagte Kaffeemaschine lief und rülpste Wasser in den Filter.
    Einige Angestellte des Hotels standen im Halbkreis um das junge Mädchen herum, das die Leiche gefunden hatte und immer noch unter Schock stand. Sie hatte geweint und das schwarze Mascara war verlaufen. Sie schaute hoch, als Erlendur und der Hotelmanager hereinkamen.
    »Da ist sie«, sagte der Hotelmanager, als trüge sie die Schuld daran, dass der Weihnachtsfrieden gestört worden war. Er scheuchte die anderen weg. Erlendur schob ihn ebenfalls hinaus und erklärte, er müsse in Ruhe mit dem Mädchen reden. Der Hotelmanager blickte ihn verwundert an, widersprach aber nicht, sondern murmelte, dass er genug zu tun hätte. Erlendur schloss die Tür hinter ihm. Das Mädchen versuchte, das Mascara von den Wangen zu wischen, und schaute Erlendur an, verunsichert, was sie jetzt erwartete. Erlendur lächelte, zog einen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber. Das Mädchen war im gleichen Alter wie seine Tochter, etwas über zwanzig, nervös und immer noch verschreckt durch das, was sie gesehen hatte. Sie war schlank, hatte schwarze Haare und trug die typische Zimmermädchenuniform, einen hellblauen Kittel. Auf der Brusttasche befand sich ein

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