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Engelsstimme

Engelsstimme

Titel: Engelsstimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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sprechen müssen, die in den nächsten Tagen das Hotel verlassen, vor allem aber mit denen, die ihre Abreise vorverlegen, obwohl ich sehr bezweifle, dass derjenige, der das getan hat, in dieser Form die Aufmerksamkeit auf sich lenken würde.«
    »Nein, genau. Ich habe über das Kondom nachgedacht«, sagte Sigurður Óli.
    Erlendur suchte nach einem freien Tisch, fand ihn und nahm Platz. Sigurður Óli setzte sich zu ihm. Der voll geladene Teller vor seiner Nase ließ ihm ebenfalls das Wasser im Munde zusammenlaufen.
    »Hör zu, falls es sich um eine Frau handelt, dann ist sie wohl noch in dem Alter, wo sie Kinder kriegen kann, oder nicht? Wegen des Kondoms.«
    »Ja, so wär’s vor zwanzig Jahren gewesen«, sagte Erlendur und probierte den geräucherten Schinken. »Heutzutage werden Kondome nicht nur zur Empfängnisverhütung verwendet, lieber Sigurður Óli. Sie bieten auch Schutz gegen allen möglichen Scheiß, Chlamydia, Aids …«
    »Das Kondom könnte uns aber auch sagen, dass er diese, diesen, dieses … Individuum nicht besonders gut gekannt hat, das auf seinem Zimmer war. Das kann so ein Schnellfick gewesen sein. Wenn sie sich gut gekannt hätten, würde er vielleicht kein Kondom verwendet haben.«
    »Wir müssen im Auge behalten, dass das Kondom nicht ausschließt, dass er mit einem Mann zusammen war«, sagte Erlendur.
    »Was das wohl für ein Messer gewesen ist? Ich meine, die Mordwaffe?«
    »Warten wir ab, was bei der Obduktion herauskommt. Es ist selbstverständlich kein Problem, sich hier im Hotel ein Messer zu beschaffen, falls es jemand aus dem Hotel war, der auf ihn losgegangen ist.«
    »Schmeckt’s?«, fragte Sigurður Óli. Er hatte zugesehen, wie Erlendur sich die verschiedenen Gerichte zu Gemüte führte und hätte es ihm nur zu gerne nachgetan, befürchtete aber Schlagzeilen im Stile von: Zwei Kriminalbeamte ermitteln in einem Mordfall in einem renommierten Hotel und tafeln ausgiebig am Weihnachtsbüfett, als wäre nichts vorgefallen.
    »Ich hab vergessen nachzusehen, ob etwas drin war«, sagte Erlendur zwischen zwei Bissen.
    »Findest du, dass du hier am Tatort einfach so in dich reinspachteln kannst?«
    »Das hier ist ein Hotel.«
    »Ja, aber …«
    »Ich habe dir schon gesagt, es hat da ein kleines Problem gegeben, und ich konnte mich nur auf diese Weise rausreden. War was drin? In dem Kondom?«
    »Leer«, sagte Sigurður Óli.
    »Der Amtsarzt behauptete, er hätte einen Orgasmus gehabt. Sogar zwei, aber das habe ich nicht kapiert.«
    »Ich kenne niemanden, der seine Witze kapiert.«
    »Der Mord ist also mittendrin begangen worden.«
    »Tja, da geschieht irgendwas ganz plötzlich. Als gerade alles richtig gut lief.«
    »Falls alles richtig gut lief, wieso war dann ein Messer in der Nähe?«
    »Das gehörte womöglich zum Spiel dazu.«
    »Zu welchem Spiel?«
    »Sex ist heute etwas komplizierter als nur die althergebrachte Missionarsstellung«, dozierte Sigurður Óli. »Es kann also jeder x-Beliebige gewesen sein?«
    »Jeder x-Beliebige«, sagte Erlendur. »Wieso heißt das eigentlich Missionarsstellung? Was für Missionare sollen das sein?«
    »Keine Ahnung«, seufzte Sigurður Óli. Erlendur konnte manchmal Fragen stellen, die ihn irritierten. Sie klangen simpel, waren aber so unendlich kompliziert – und bescheuert.
    »Hat das was mit Afrika zu tun?«
    »Oder mit katholischen Zeiten«, sagte Sigurður Óli.
    »Wieso Missionare?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Das Kondom bedeutet nicht, dass das andere Geschlecht auszuschließen ist«, sagte Erlendur. »Soviel steht fest. Nur wegen des Kondoms können wir nichts und niemanden ausschließen. Hast du den Hotelmanager gefragt, warum er den Weihnachtsmann rauswerfen wollte?«
    »Nein. Wollte er ihn rauswerfen?«
    »Er hat es erwähnt, aber nicht erklärt. Wir müssen wissen, was er damit gemeint hat.«
    »Hab ich mir notiert«, sagte Sigurður Óli, wie immer mit einem kleinen Notizblock und einem Bleistift ausgerüstet.
    »Dann gibt’s da eine Gruppe, die mehr als andere Kondome verwendet.«
    »Tatsächlich?«, fragte Sigurður Óli, der mal wieder nichts kapierte.
    »Huren.«
    »Huren?«, wiederholte Sigurður Óli. »Nutten? Glaubst du, dass sich so was hier rumtreibt?«
    Erlendur nickte.
    »Die missionieren intensiv in Hotels.«
    Sigurður Óli erhob sich, blieb aber vor Erlendur stehen und schien noch etwas sagen zu wollen, wusste aber nicht, wie. Erlendur, der seinen Teller inzwischen geleert hatte und den der ausladende Büfetttisch

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