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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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und Intuitionsübungen.
    Das Erschreckende war, dachte Zwölf, daß er tatsächlich solche Eingebungen zu haben begann. Für die Geliebte würde das ein Beweis für seine Vergiftung sein.
    Und für die Notwendigkeit seiner Auslöschung, sobald er ihr von seiner Krankheit berichtete.

    Die Mahlzeit bestand diesmal aus einem Reisgericht mit Fleisch und Gemüse und einer roten Pfeffersoße darüber. Der Pfeffer wärmte Kit, als er hinterher mit der schönen Maria schlief; er würzte ihren Kuß, ihren Atem. Kit war leise erstaunt darüber, daß er überhaupt an Bord der Runaway kommen durfte und daß sie seinen Besuch im Hilfskontrollraum mit keinem Wort erwähnte.
    Er war auf merkwürdige Weise glücklich. Für eine Weile konnte er so tun, als ob er aus eigenem Antrieb hier wäre, weil er sich in Maria vergraben, in ihre Ausstrahlung, ihr Lachen eintauchen wollte … und dann würde die Erinnerung kommen, ein Simulacrum von Marcos Stimme in seinem Kopf. Sie hat dich benutzt. Dann: Die Familie muß überleben! Und da spürte er ein Stocken in seinem Glücksgefühl, einen Einschnitt im stetigen Pulsieren seiner Lust.
    Er hatte vergessen, dachte Kit, warum er das tat. Oder vielleicht mußte er bloß einen anderen Grund finden.
    Kit streckte einen Fuß aus – die schmale Metallkoje schwankte, als er dabei das Gewicht verlagerte – und packte seinen Druckballon vorsichtig mit dem großen Zeh und dem daneben. Er hob den Ballon vom Boden auf, führte ihn heran, nahm ihn in die Hand und spritzte sich warmes Lark in den Mund.
    Du mußt den Dämon beschwichtigen, dachte er. Die schöne Maria verfolgte seinen Balanceakt mit ihren sanften dunklen Augen. Sie lag halb unter ihm, und es wäre zu viel Streß gewesen, sich von ihr zu lösen.
    »Du bist wirklich stärker geworden«, sagte sie. »Ich hab’s gemerkt.«
    »Ich wachse ja noch.« Er hielt ihr den Ballon hin. »Im Gegensatz zu dir.«
    Sie trank einen Schluck Lark. Kit konnte es in ihren Mund zischen hören. Er ließ sich auf sie herabsinken und legte den Kopf an ihre knochige weiße Schulter.
    »Weißt du noch«, sagte er, »damals auf der Engelstation hast du die Möglichkeit eines Ausbildungsprogramms erwähnt. Ich glaube, ich könnt’s jetzt hinkriegen. Marco will mich nicht mehr sehen. Der wäre froh, wenn er mich los wäre.«
    Er wußte nicht genau, was er damit bezweckte. Ihm war klar, daß Marco den Plan billigen würde, wenn er dadurch herausfand, wohin die Runaway flog.
    Trotzdem wußte er, daß er die Frage nicht nur für Marco gestellt hatte.
    Marias langsames Herz schlug viermal. Kit hörte das Pochen ganz deutlich an seinem Ohr. Dann seufzte sie und nahm seine Hand.
    »Daraus wird nichts, Kit«, sagte sie. »Und zwar für lange Zeit nicht.«
    »Ja.« Auf einmal war er wütend. »Ubu und du, ihr seid ja dermaßen paranoid.«
    Maria versteifte sich. Ihre Antwort kam schnell und scharf. »Wir brauchten nicht paranoid zu sein, wenn es nicht Leute wie Marco gäbe.«
    Kit verbiß sich seinen Groll. Er leerte seine Lungen und atmete tief ein. »Tut mir leid«, sagte er. »Es war bloß … ein Wunschtraum, den ich gern verwirklicht hätte.«
    Sie zerzauste ihm die Haare. »Vielleicht wird er ja noch mal wahr. Wer weiß? Irgendwann müssen wir unsere Operationen erweitern. Aber jetzt noch nicht.«
    Einundachtzig Leute, dachte Kit. Er küßte sie auf ihre vollkommene Wange. In seinem Innern starb der Traum, lautlos und ohne jeden Protest.
    Er senkte den Ballon auf die Matratze und berührte wie aus Versehen den Auslöser. Lark schäumte über Marias Wange und ihre Haare. Sie kreischte auf und kam hoch, wobei sie ihn fast vom Bett warf. »‘tschuldige«, sagte er.
    Einen Augenblick später ging Maria unter die Dusche, um sich die Haare zu waschen. Sein Gefühl, daß er unglaubliches Glück hatte, kehrte zurück, als er zusah, wie sie die Tür der Duschkabine zuzog. Wasser begann gegen die Tür zu prasseln, und Kit rollte sich aus dem Bett und hastete zur Leiter.
    Die Schirmtür zum Hilfskontrollraum war offen. Abgesehen von dem komischen Geruch konnte Kit nichts Ungewöhnliches entdecken. Er würde damit davonkommen. Er hakte die Knie unter die Navigationstafel und rief das Logbuch der Runaway auf.
    Kalte Verblüffung streifte Kits Nacken, als er sah, daß ein großer Teil des Logbuchs gelöscht worden war. Sich am Logbuch zu schaffen zu machen, war strafbar – die Unterlagen eines Schiffes wurden nicht als Privatbesitz des Schiffseigners, sondern als Staatseigentum

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