Engelstation
Umgebung von Bezel und flog zu den Werften der Kompagnie, wo man die jahrhundertealte Torvald-KI, die ihre Singularität überwachte und manipulierte, provisorisch durch eine Stationseinheit ersetzte, die mit dem Schiffsrumpf verbunden wurde. Der alte Computer würde aus dem Innern der Runaway herausgerissen und gegen den neuen Lahore ausgewechselt werden.
Was die Sicherheit betraf, war die ganze Angelegenheit ein einziger Alptraum. Überall im Schiff wimmelte es von Technikern. Ubu mußte Wachleute anheuern, um sicherzustellen, daß sie nirgends herumliefen, wo sie auf Zwölf stoßen konnten, und wer überwachte währenddessen die Wachleute? Schließlich beschloß Ubu, Zwölf in einer der unbenutzten Kabinen auf Ebene zwei der Zentrifuge unterzubringen und zwei Wachen mit dem Befehl, niemanden in eine der Kabinen zu lassen, auf dem Flur draußen zu postieren. Zwölf blieb drin – im Dunkeln, so daß niemand einen Lichtschein unter der Schirmtür sehen konnte – und hörte Musik über zwei Kopfhörer, die Ubu so umgearbeitet hatte, daß sie sowohl auf seinem Kopf saßen als auch die Musik direkt in seinen Vocoder einspeisten.
Der Austausch der KI, das Neuverlegen der Kabel und die Überprüfung der Systeme dauerte sechs Tage. Am siebten flog die Runaway nach Bezel zurück, dockte am Modul Eins an und begann den Laderaum A mit den anderen Lahore-KIs zu füllen, die während des letzten Monats auf dem Planeten unten montiert worden waren. Zwölf kehrte wieder in die Schwerelosigkeit im Hilfskontrollraum zurück, nicht ohne seine Erleichterung zum Ausdruck zu bringen.
Ubu hörte das leise Summen der Autolader durch das Gerippe des Schiffes. Er saß im Shootersessel und lud die neue Lahore-Software. An der Aufgabe, Singularitäten zu zähmen, hatte sich in den letzten hundert Jahren nicht viel geändert, und an der Technologie auch nicht. Die Verbesserungen des Lahore waren kein Sprung in der Entwicklung, "wenn man ihn mit dem Torvald verglich, sondern eher ein dezenter kleiner Schritt. Ubu hatte nur deshalb beschlossen, den Torvald auszutauschen, weil es ihm albern vorkam, eine bessere Klasse von KIs zur Geliebten zu befördern als diejenige, die er selbst besaß.
Der Lahore-Vertreter war ein Mann, der auf der Station geboren war. Er hatte dunkle Haut und einen Schnurrbart und trug eine Brille mit Goldrand über Augen, die absolut scharf sahen – die Brille war nur ein modisches Accessoire. Das Beste, was der Mann ihnen zu bieten hatte, war eine improvisierte Visualisierung des Schusses.
»Die eingehenden Daten werden besser umgesetzt«, hatte er erklärt. »Man erhält ein besseres Bild des Schwarzen Lochs, eine bessere Sicht auf alle Perturbationen, die sich entwickeln. Wenn es richtig losgeht, könnte es sein, daß man zuviel Informationen bekommt – daß man überlastet wird.«
»Wir werden sehen«, erwiderte Ubu skeptisch.
Jetzt saß er auf dem Shootersessel, während die Stimantennen um seinen Kopf herum angeordnet waren. Er rief eine Simulation auf, einen einfachen Sprung über vier Lichtjahre im tiefen Raum von einem Punkt zum anderen, ohne daß in der Nähe befindliche schwere Körper die Dinge komplizierten, und war überrascht, als die Stirn-Singularität scharfkantig und massiv vor seinem inneren Auge erschien; sie war nicht schwarz, sondern ein alles verschlingendes Nichts, aus dem das heulende Lied sterbender Materie drang. Der Ereignishorizont war von einem leuchtenden silbernen Lichthof umgeben, wie ein polierter, perfekter Daumennagel … Ubu hatte den beunruhigend überzeugenden Eindruck, daß das Ding echt war – keine unscharfe Simulation, wie er es gewohnt war, in der die Ränder des Jetzt von der Tatsache verwischt wurden, daß der Computer mit dem Datenfluß nicht ganz Schritt halten konnte, sondern eine echte Singularität, die in seinem Kopf brannte und ihn in ihre alles zermalmende, tödliche Umarmung zog.
Er führte den Sprung durch, und das Jetzt erfüllte seinen Schädel. Wenn der alte Torvald den Eindruck vermittelt hatte, in einem kaputten Atmosphärengleiter dröhnend und rüttelnd zum gefrorenen Kern eines Gasriesen zu rasen, hatte man beim Lahore das Gefühl, im Inneren des Hochgeschwindigkeitsgeschosses eines Gaußschen Gewehrs zu sein, eine zügige und totale Beschleunigung auf eine nicht mehr faßbare Geschwindigkeit. Das Jetzt war perfekt realisiert und überwältigend, fast unerträglich intensiv, wie die subjektive Aufnahme eines sehr schnellen Sportereignisses, die
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