Engelstation
machen.« Sie grinste, als die Abrazo zu einer Änderung der Fluglage ansetzte. »Anscheinend habe ich mir den falschen Zeitpunkt ausgesucht.«
Das Triebwerk der Abrazo gab erneut Schub. Maria und Zwölf packten zwei Griffstangen, um sich festzuhalten. »Was gibt es für Schwierigkeiten?« fragte Zwölf.
»Ich weiß nicht.« Maria sah Zwölf an und holte tief Luft. Wenn dies nicht klappte, war die ganze Übung sinnlos gewesen. »Ich wollte dich um einen Gefallen bitten, Willensfrei Zwölf.« Sie griff in eine Tasche ihres Overalls und holte einen Datenjeton aus Plastik hervor. Das Rot Neun bewirkte, daß ihr beim Sprechen die Zähne klapperten. »Könntest du den auf dem Rückweg zum Schiff der Geliebten bei der Runaway abgeben?«
Zwölf nahm den Jeton mit den zierlichen Innenfingern einer Hand entgegen. »Was enthält er, Shooterin Maria?«
»Daten von einigen Sensoren der Abrazo . Die sind in mancher Hinsicht empfindlicher als unsere.«
Sie grinste Zwölf angestrengt an, während sie insgeheim der Mut verließ. Ihr wurde klar, daß die ganze Geschichte unglaublich faul war. Es mußte das Rot Neun gewesen sein, das sie auf die Idee gebracht hatte, sie würde tatsächlich damit durchkommen. Nicht einmal Zwölf konnte so naiv sein.
Zwölf steckte den Jeton ein. »Ich freue mich, der Runaway zu Diensten sein zu können«, sagte er.
Maria war erleichtert und erstaunt zugleich. »Danke, Willensfrei Zwölf«, sagte sie. »Ich bin sicher, Schiffsführer Ubu wird dir dankbar sein.« Sie warf einen Blick über die Schulter. »Ich sollte bei diesem Notfall helfen. Gepriesen sei die Geliebte.«
»Lob und Ehre.«
Maria stolperte in aller Eile zum Farbenschrank zurück, schloß die schwere Stahltür und schnappte sich ihre Computertastatur. Sie tippte einen kurzen Code ein, und auf den Schirmen der Abrazo erschienen keine neuen Asteroiden mehr. Es gab ein paar abschließende Beschleunigungsschübe, als sie den restlichen Phantomen auswich, dann verstummten die heulenden Alarmsirenen.
Eine plötzliche Woge der Verzweiflung rollte über sie hinweg. Zwölf würde Marco den Jeton geben, das wußte sie. Sie würde entdeckt und für den Rest des Fluges in einer leeren Kabine eingesperrt werden.
Ein paar langsame, sanftere Schübe folgten, als die Abrazo wieder in die gleiche Umlaufbahn wie das Schiff der Geliebten ging. Pumpen klopften im Rumpf, als die Luftschleuse arbeitete, damit Zwölf das Schiff verlassen konnte. Vielleicht war sie irgendwie doch damit durchgekommen, dachte sie. Maria wartete noch ein paar Minuten, dann stopfte sie die Tastatur, die Spritzpistole, den Schaber und die Handschuhe in ihren Beutel.
Die Tür glitt auf, und sie schaute hinaus. Auf dem Korridor war niemand, und die Tür zum Hilfskontrollraum war zu. Sie stieß sich ab. Ein Beschleunigungssignal ertönte, ein helles Klingeln.
Die Zentrifuge war ausgeschaltet, weil sie während des Notfalls gebremst und stillgelegt worden war. Maria stieß sich ab, schwebte zur zweiten Ebene hinunter und flitzte dann durch den Wohnblock, bis sie an ihre Tür kam.
Kit war drinnen. Er schwebte mitten im Raum. Das Rot Neun ließ sie überrascht auflachen. Kit blickte auf.
»Wo bist du gewesen?«
Maria griff in ihren Beutel und holte die Spritzpistole heraus. »Ich dachte, ich mach mal die Wände«, sagte sie. »Hab im Farbenschrank festgesessen, als der Alarm losging.« Sie sah ihn an. »Was ist passiert?«
»‘n Haufen Asteroiden auf Kollisionskurs mit dem Planeten. Stand eins zu einer Million, daß wir ihnen im Weg waren.« Er warf ihr ein unsicheres Lächeln zu. »Freut mich, daß du beschlossen hast, rauszugehen.«
»Hab ich nicht.« Sie lachte. »Keiner hat mich gesehen.«
Kit schien enttäuscht zu sein. Die Glocken ertönten erneut, das Signal, sich auf eine Beschleunigungsphase vorzubereiten. Kit streckte die Hand zum Knopf der Bordsprechanlage aus und drückte darauf. »Kit und die schöne Maria sind bereit«, sagte er.
Maria hüpfte auf die obere Koje, die Juan benutzt hatte, und schnallte sich an.
Die Glocken klingelten noch einmal. Rot Neun rumpelte Marias Rücken hinauf und hinunter.
Sie spürte den Tritt von hinten, als die Abrazo ihre Triebwerke feuerte. Die Kojen schwenkten in eine neue Position. Schwerkraft begann ihre Finger um Marias Hals zu schließen.
Die Elektronenwelt tauchte sie in weiche Farben. Ihr wurde schwindlig.
Maria begann zu lachen. Sie war äußerst gespannt, was als nächstes passieren würde.
22. Kapitel
Selbst
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