Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
Vom Netzwerk:
zu machen.
    Sie band sich die Haare zurück, kippte die Sachen aus ihrem Schulterbeutel, sprühte sich dann etwas Rot Neun in die Nase und lauschte dem Lied der Neurotransmitter, die jaulend durch ihre Nervenbahnen schössen und sich dabei vermehrten. Sie zog die Computertastatur aus dem Schreibtisch und steckte sie in den Beutel. Dann hängte sie sich den Beutel auf den Rücken, ging zur Tür, schob sie ein paar Zentimeter weit auf und horchte. Ihr Puls schlug ihr so laut in den Ohren, daß es ihr schwerfiel, draußen etwas zu hören.
    Eilige Schritte kamen den Korridor entlang, und sie machte einen Satz nach hinten, als ob man sie geschlagen hätte. Es war eins der Kinder, ein kleiner Junge, der im Laufen ein seltsames, unmelodisches Lied vor sich hinsang. Das Geräusch rief eine chemische Resonanz in Maria hervor; es ließ ihre hochgeputschten Nerven vibrieren, wie das Quietschen von Kreide auf einer Schiefertafel. Maria knirschte mit den Zähnen. Die Laute verklangen entgegen der Drehrichtung, und Maria lauschte wieder an der Tür. Stimmen drangen an ihr Ohr, eine Unterhaltung über das Spiralenspiel des gestrigen Abends. »Verdammtes Scheißglück.« Ridges Stimme. »Du hättest sehen sollen, was ich für Aufstellungen gekriegt habe.«
    »Hab gehört, daß es nicht so gut gelaufen ist für dich.« Die Antwort war zurückhaltend.
    Maria verbiß sich ein Lachen. Die Unterhaltung ging weiter. Das Rot Neun drängte Maria zu laufen, zu schreien und anzugreifen. Sie schob die Tür ein bißchen weiter auf und spähte hinaus.
    Die Stimmen kamen aus einer offenen Kabinentür entgegen der Drehrichtung. Sie lag zwischen ihr und dem Hauptkommandokäfig.
    Soviel zu ihrem Plan, sich unbemerkt in den Käfig zu schleichen und eine Antenne einzuschalten. Sie würde es auf die harte Tour machen müssen.
    Maria schaute nach links und rechts, trat dann auf den Korridor hinaus und ging rasch in die Drehrichtung. Eine Leiter brachte sie in die Nabe der Zentrifuge hinauf.
    Lange Leuchtstoffröhren erhellten den schwerelosen weißen Korridor mit den Polymerisatwänden. Der vordere Teil drehte sich langsam, als die große Zentrifuge um ihn herumrotierte. Maria stieß sich sachte von einem Polster ab, das kreuz und quer mit orangerotem Klebeband überzogen war, und schwebte aus der Nabe heraus in den stationären Korridor dahinter. Weiter vorn waren undeutliche Stimmen zu hören. Maria streckte die Hand aus, packte eine Griffstange und hielt inne.
    Die Stimmen sprachen weiter, kaum lauter als vorher. Eine Leiter führte der Länge nach durch den ganzen Korridor; sie war für die Phasen gedacht, wenn die Abrazo beschleunigte und der Weg in die Zentrifuge senkrecht nach oben führen würde. Maria begann sich an der Leiter entlangzuhangeln, von einer Sprosse zur nächsten.
    Die Stimmen wurden deutlicher. Maria hielt den Atem an, als sie erkannte, daß eine davon Marco gehörte. »Sobald der Knabe weit genug vom Flammenstrahl weg ist«, sagte er, »will ich mit maximaler Beschleunigung aus diesem Schwerkraftloch raus. Wir haben schon genug Zeit hier draußen verplempert.«
    »Yo, Schiffsführer.« Tante Sandys Stimme. »Du brauchst es bloß zu sagen. Ich hab die Software schon geladen.«
    Die Stimmen kamen also aus dem Hilfskontrollraum. Tante Sandy würde den Schuß von dort aus durchführen, nicht vom Käfig in der Zentrifuge aus.
    Dunkelheit überflutete das Blickfeld der schönen Maria, während Panik in ihrem Pulsschlag hämmerte. Sie atmete langsam und tief durch, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Sie hangelte sich langsam weiter, bis sie zu der offenen Tür kam, dann kroch sie wie eine Krabbe an den Wänden entlang, bis sie zu der etwa zwanzig Zentimeter breiten Stelle zwischen dem Türrahmen und der Decke des Korridors gelangte. Sie konnte nicht damit rechnen, daß es ihr gelingen würde, ihren ganzen Körper samt Schulterbeutel vollständig außer Sicht zu halten; sie konnte nur hoffen, daß niemand im Kontrollraum direkt aus der Tür schaute, wenn sie vorbeischwebte. Sie spannte die Muskeln an, grub die Zehen in die Plastikfläche einer Wandpolsterung und stieß sich ab.
    »Haben wir die voraussichtliche Ankunftszeit der Familia bei Engel?«
    Eine neue, männliche Stimme, lauter als die anderen; vielleicht war der Mann ganz in der Nähe der Tür. Maria konnte sich gerade noch beherrschen, nicht laut aufzuschreien, um sich zu schlagen und genau im gelben Lichtschein anzuhalten, der aus der Tür fiel.
    Sie schoß vorbei,

Weitere Kostenlose Bücher