Engelstation
in seinen Geist ein. Du trägst die Seuche menschlichen Denkens und menschlichen Mitgefühls in dir. Du bist gefährlich. Dein Nutzen hat sich erschöpft. Du wirst dich unverzüglich vernichten.
Lob und Ehre , Lob und Ehre . Die Geliebte machte einen Fehler – wenn ihm noch ein paar Augenblicke blieben, dann konnte er ihr erklären, wieso. Aber Zwölf hatte nur noch die Zeit, ein paar Worte des Lobes zu intonieren, dann traf die chemische Attacke der Geliebten sein Gehirn, und alle rationalen Gedanken lösten sich auf. Im Nu spürte er, wie sein Wille unter der überwältigenden inneren Gewißheit seiner Wertlosigkeit zusammenbrach. Obwohl er wußte, daß ihm das Gefühl eingeimpft worden war, handelte es sich um eine reale Erfahrung, eine überwältigende, bittere Woge der Verzweiflung. Ein Wimmern der Hoffnungslosigkeit brach gurgelnd aus ihm hervor. Die Geliebte hatte ihn für nichtig erklärt. Er wußte, daß er nichts wert war. Alkalische Tränen perlten aus seinen Poren, als sich seine Haut in einem unwillkürlichen Krampf des Selbstekels zusammenzog.
Die Nabelschnur zog sich zurück, aber nicht schnell genug, um Zwölfs Impuls der Selbstvernichtung zu befriedigen. Enttäuscht von seiner Unfähigkeit, sich auf der Stelle auszulöschen, zerkratzte er sich mit seinen Innenfingern, bis er blutete. Endlich löste sich die Nabelschnur von ihm, und er stieß sich zum Ausgang. Er merkte, wie die Willenlosen ihn verließen und ins Licht hinaussprangen. Ihre Reaktion wurde vom bitteren Geschmack seiner weinenden Haut ausgelöst.
Klauenbewehrte Hände packten ihn. Die Geliebte hatte mehrere Soldaten geschickt, um sein Ende zu beschleunigen. »Danke, Brüder«, versuchte er zu sagen, als ihn die Arme der Soldaten umklammerten, aber sein Voder war paralysiert. Trotzdem war er dankbar, als ihn die Kämpfer durch den blau beleuchteten Korridor schleppten.
Das Trommelfell vor der Auflösungskammer war beiseite gezogen. Beißender Verwesungsgestank und ein starker Geruch komplexer Enzyme drangen an seine Fühler. Die Soldaten warfen Zwölf in die abgedunkelte Kammer.
Mit verknäuelten Gliedmaßen schlug Zwölf an die gegenüberliegende Wand. Die feuchte, fleischige Beschichtung der Kammer schmatzte, als sie den Aufprall absorbierte. Eine wilde, verzweifelte Wut verzehrte ihn. Sein Verstand hatte versagt, er war verseucht worden, alles, was er war, sollte vernichtet werden. Er preßte sich an das feuchte, gierige Fleisch der Wand, setzte einen möglichst großen Teil seiner Körperoberfläche ihren zerstörerischen Enzymen aus. Die Wand hielt ihn fest. Das Trommelfell hinter ihm schloß sich, und er blieb allein im Dunkeln zurück.
Dort, wo seine Haut die Wand berührte, begann sie zu kribbeln; dann spürte er scharfe, schmerzhafte Stiche. Ekstatisch begrüßte Zwölf das Zeichen, daß seine Auflösung kurz bevorstand. Das einzige, worauf er sich jetzt noch freute, war seine Vernichtung. Zu seinem Verdruß konnte sie jedoch nicht auf der Stelle vollzogen werden.
Der Schmerz nahm zu, breitete sich wie Feuer in seinen Gliedmaßen und seinem Rumpf aus. Die Geliebte hatte keine Verwendung mehr für ihn und folglich auch keinen Grund, den Schmerz zu dämpfen, wie sie es getan hatte, als er aus dem Transitschlaf geweckt worden war. Die Enzyme der Kammer zersetzten seine Haut, spalteten ihn in Aminosäureketten auf, die problemlos recycelt werden konnten. Der Prozeß würde viele Stunden dauern.
Allmählich verebbte der quälende Selbsthaß, als Zwölfs Stoffwechsel den letzten chemischen Angriff der Geliebten verarbeitete. Nicht enden wollende Schmerzen stachen wie Lanzen in seinen Kopf. Er schlug wild um sich und versuchte sich von der Wand zu lösen, aber das klebrige Fleisch hatte seine Gliedmaßen bereits mit zähen, schnell wachsenden Fasern umschlossen. Er versuchte zu schreien, brachte jedoch keinen Laut heraus – die Geliebte hatte die Verbindungen zwischen seinem Gehirn und seinem Voder säuberlich durchtrennt. Ihm wurde klar, daß sie keinen Wert darauf legte, daß seine widerhallenden Schreie ihre anderen Diener ablenkten.
Die Schmerzen ließen nach, als viele von Zwölfs Nervenenden verzehrt wurden. Die Enzyme legten eine Pause ein und mobilisierten ihre Reserven, bevor sie sich tiefer ins Muskelgewebe hineinfraßen. Gedanken formten sich erneut in seinem Geist, jene Gedanken, die ihm vielleicht das Leben gerettet hätten, wenn sie ausgesprochen worden wären.
Angst peinigte ihn. Geliebte, dachte er. Mag sein,
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