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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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persönliche Habseligkeiten vom Schiff holen wollen. Ich kann eine der Außenschleusen außer Betrieb setzen – das wäre ganz leicht –, und sobald ich an Bord bin, werfe ich die Triebwerke an und haue ab.«
    Eine zitternde Blase der Traurigkeit stieg in Ubu hoch. Der ganze Plan kam ihm wie ein allzu ausgetretener Pfad vor, auf dem die altbekannte Hoffnung und Verzweiflung lasteten. »O Maria«, stieß er hervor.
    Ihr Blick forderte ihn heraus. »Warum sollte es nicht klappen?«
    Hitze loderte in Ubu auf, »Die anderen de Suarezes werden es rausfinden. Dein Störversuch wird entdeckt werden. Und du kannst die Triebwerke nicht anwerfen, ohne daß irgend jemand was merkt.« Er fuchtelte mit seinen oberen Armen herum, während seine Stimme immer lauter wurde. »Dieser Marinekreuzer wird die Runaway in Stücke schießen. Du wirst jahrelang kein Schwarzes Loch finden. Du wirst einen Unfall haben oder krank werden und einsam sterben. Alles mögliche kann passieren.«
    »Ich ziehe die Sache durch«, sagte die schöne Maria. »Ich schnappe mir das Schiff und mache mich aus dem Staub. Falls du mich aufhalten willst – du weißt ja, wie du dich mit dem Büro des Procureurs in Verbindung setzen kannst.«
    »Ich werde dich nicht …«
    Marias Worte waren bitter. »Jetzt kannst du beweisen, daß Marco recht hat, wenn du willst, und dir selber bescheinigen, daß du ein Verlierer bist.«
    Zorn durchtoste Ubu wie das Feuer einer Nova. Er schluckte ihn hinunter. »Ich hab dir doch gesagt, daß ich dich nie wieder zwingen würde, deine Fähigkeit einzusetzen«, sagte er.
    »Du zwingst mich zu gar nichts. Oder?«
    »Du wirst verletzt werden.« Die Worte strömten aus ihm heraus, ohne daß er überlegte. »Du wirst verletzt werden, Maria. Ich möchte das nicht noch mal erleben.«
    Zum erstenmal wandte sie den Blick ab. Ihre Stimme war leise. »Dann ist es nicht deine Schuld. War es sowieso nie. Okay?«
    Ubu schwieg. Sein Zorn war verebbt; in seinem Hals war ein bitterer Schmerz. »Ich will dich nicht verlieren«, sagte er.
    »Dann komm mit.« Sie wandte sich ab, damit er seine Entscheidung treffen konnte. Ein Strudel schrecklicher Angst durchlief ihn. Ein weiterer Verlust, dachte er, eine weitere Niederlage.
    »Ja«, sagte er hoffnungslos. »Ja.«

    Zwei Uhr. In der Anlegebucht auf der zweiten Ebene war alles still, bis auf das schwache Echo der Autolader, die auf dem Ladedock darunter summend hin und her fuhren. Kit stand allein in dem riesigen, hell erleuchteten Raum. Er fröstelte. Zumindest nach den Maßstäben der Familie war er im Begriff, Verrat zu begehen.
    In Richtung des Transportschachts gab es eine leichte Lichtschwankung; jemand stieg aus. Kit warf einen nervösen Blick dorthin und sah, daß es Ubu war. Er entspannte sich nur ein wenig.
    Die schöne Maria kam gleich nach ihrem Bruder aus dem Schacht. Beide trugen Shorts und T-Shirts, waren barfuß und hatten kleine Koffer in den Händen. Sie kamen näher.
    »Schiffsführer«, sagte er. »Shooter.«
    »Shooter.«
    »Kit.« Maria hatte ihre Haare zu einem einzelnen langen Zopf geflochten, der ihr auf den Rücken fiel. Kit bewunderte ihren anmutig geschwungenen Hals und ihre reizenden Ohren, die dadurch freigelegt wurden. Eine dumpfe Sehnsucht ergriff sein Herz. Er hatte noch nie etwas so Zauberhaftes gesehen.
    »Wir müssen leise sein. Die ganze Mannschaft ist an Bord.«
    Ubus Blick war scharf. »Hält jemand Wache?«
    »Nicht in der dritten Schicht. Erst wenn wir Ladung nehmen. Aber seid trotzdem leise. Wir wollen niemand wecken.«
    Maria kam zu ihm, drückte ihm die Hand und gab ihm einen Kuß auf die Wange. Ihre Lippen waren kühl. »Danke, Kit.«
    Kit zuckte die Achseln. »Schon gut.« Er drehte sich um und sprang zur Personenschleuse. Die anderen sanken hinter ihm herab, als er den Code eingab. Die Schleuse öffnete sich mit einem leisen Zischen, als ob sie nicht damit einverstanden wäre, was sie vorhatten.
    Kit führte Ubu und Maria durch den Dockschlauch mit den Ziehharmonikawänden in die Rumpfschleuse. Von dort war es nur ein Katzensprung an dem Softwareschrank mit den Stahlwänden und den Lagerräumen vorbei bis zu einem der Laderäume. In dem großen Raum roch es nach Schmiermitteln. Metallene Frachtcontainer mit abgeplatztem Emaille waren mit silbernen Metallbändern auf Paletten aus legiertem Stahl festgezurrt und mit Plastikmatten gepolstert. Ein hin und wieder aussetzendes rotes Hologramm britzelte in einer Ecke und kennzeichnete die Mannschaftsschleuse.

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