EngelsZorn - Im Blutrausch
ganz schön unter die Gürtellinie, Léon!“, zischte ihn Clavel an. Er fühlte sich durch Dumas‘ Anpfiff in seiner männlichen Eitelkeit verletzt. „Du weißt ganz genau, dass das nicht wahr ist!“ Sichtlich getroffen durch Dumas‘ Worte erhob er seine Stimme gegen seinen Partner. Da er in der Tat zu eitel war, die Brille aufzusetzen, trafen ihn Dumas‘ Worte doppelt so hart. Wäre es nicht wahr gewesen, hätte ihn Dumas’ Vorwurf kaum berührt. Um so mehr aber verletzte ihn seine aggressive Stichelei, da er sich mit aufgesetzter Brille tatsächlich für zu unattraktiv hielt und sie deswegen ausschließlich nur beim Autofahren trug. An jenem Morgen saß er aber nicht am Steuer, daher hatte er sie, nachdem der Funkspruch eingegangen war, wieder in sein Brillenetui zurückgelegt und in seiner Jacke verstaut.
„Was ist nicht wahr? ...dass du ohne genauso beschissen aussiehst!?“ Dumas begann nun absichtlich gegen Clavel zu sticheln. Er wollte mit jemandem Streit anfangen, um sich besser abreagieren zu können, und da nur sein Partner in greifbarer Nähe war, kam er ihm bei seiner miesen Laune gerade recht.
„Mann, verarsch‘ mich nicht!“ Clavel erzürnten Dumas‘ Worte aufs äußerste. „Ich war gerade dabei, die Brillengläser zu putzen, als der Funkspruch einging und du wie ein Irrer losgefahren bist. Schon vergessen? Du hast dich schließlich noch lustig darüber gemacht!“ Er machte eine kurze Verschnaufpause. Seine Stimme bebte. „Du weißt, dass ich sie nur zum Fahren benötige...“
„Dann solltest du sie zukünftig zu m Wehrlose-Frauen-abknalle n ebenfalls aufsetzten!“, unterbrach ihn Dumas brüsk.
„Ich hab‘ dir doch gerade eben schon gesagt, du sollst mich nicht verarschen, Mann! Mach‘ mich bloß nicht sauer! Ich kann weder was für Duvals Artikel noch für deine schlechte Laune!“, ermahnte er seinen Partner abermals. „Mir geht es so oder so schon schlecht genug. Schlumberger hat mir heute Morgen schon mehr als gereicht. Ich bin bedient, das sag‘ ich dir! Für heute reicht’s mir! Mann, Léon, alles ging so verdammt schnell. Ich habe einfach durchgedreht....“, wehrte sich Clavel. Er war ziemlich aufgebracht. „...als David plötzlich aufgetaucht ist, musste ich auf einmal an das, was mit Denis passiert ist, denken...“
„Hör‘ mir bloß mit diesem beschissenen Arsch auf! Dieser Scheißkerl hat sich schon wieder mal über meinen Befehl hinweggesetzt und ist im Alleingang zur Leiche marschiert!“, fauchte ihn Dumas an.
„Mensch, für dich ist aber auch jeder ein beschissener Arsch oder ein Scheißkerl, Léon. Seit David weg ist, bist du wirklich ständig nur noch am Fluchen! Wie wäre es, wenn du endlich deinen Wortschatz mit einer etwas gehobeneren Sprache bereichern würdest? Deine Wortwahl lässt wirklich zu wünschen übrig! Es geht auch ohne dein ständige s beschissen, Arsch, Scheißker l und was du sonst noch so auf Lager hast! Versuch’s doch einfach mal. Oder traust du dir das etwa schon wieder nicht zu? Dann sieh doch mal in deinem Wörterbuch nach! Vielleicht findest du dort ja die passenden Worte!“
Das traf Dumas hart.
Clavel provozierte ihn nun seinerseits absichtlich. Er wusste genau, dass er seinen Partner nur mit einer Sache herausfordern konnte, nämlich mit der, auf seiner Unfähigkeit, sich gepflegter auszudrücken, herumzureiten. Nicht umsonst hatte Dumas zu seinem letzten Geburtstag von der gesamten Abteilung das große Französische Wörterbuch geschenkt bekommen, was übrigens Clavels Eingebung entsprungen war. Der Spaß war sogar soweit gegangen, dass man in diesem Wörterbuch alle Schimpfwörter mit schwarzem Stift herausgestrichen und andere Wörter, von denen man wollte, dass er sie in sein Vokabular aufnehmen sollte, mit Leuchtstift hervorgehoben hatte. Dumas ärgerte sich noch heute über diesen dummen Streich.
„Fuck it ! Hör‘ mir auf mit dieser beschissenen Scheiße, Christophe!“, fauchte er umso gereizter zurück. Seine anfängliche Wut hinsichtlich Duvals unverschämtem Artikel in der La Vitesse-Lumière sprang allmählich in Zorn gegen seinen Partner über, der ihn durch seine kultivierte Redegewandtheit regelmäßig provozierte und damit zur Weißglut brachte. An diesem Tag hatte es Clavel auch wieder einmal erfolgreich geschafft.
Dumas‘ Schwäche war es schon immer gewesen, dass er einfach nicht schlagfertig genug war, u m gentlemanlik e dagegen anzugehen, denn er fand niemals die passenden Worte. Daher war er von
Weitere Kostenlose Bücher