English Cooking
geänderten Einstellung zum Essen, trotz der gerade angesagten »Wiederentdeckung« der traditionellen englischen Küche. Die Einstellung der Engländer zum Essen ist nach wie vor ziemlich schizophren. Obwohl die Nation sich nach den Entbehrungen des Zweiten Weltkriegs im großen Stil den Küchen fremder Länder zuwandte, hegt man unter den älteren, eher konservativen Leuten, vor allem auf dem Lande, weiterhin eine starke Vorliebe für »gutes, einfaches Essen«, womit in Wirklichkeit langweiliges Einerlei gemeint ist. Die Anhänger dieses Glaubens neigen dazu, Saucen und Knoblauch als Teufelszeug zu betrachten. Richard Earl of Bradford betreibt ein schlichtes, aber ausgezeichnetes Lokal namens »Porters« in der Gegend von Covent Garden in London und lässt dort feine englische Küche servieren. Den stattlichen Familienstammsitz aus dem 17. Jahrhundert, Weston Park in Shropshire, hat er in ein profitables Unternehmen verwandelt, doch er meint: »Manche Leute aus Shropshire würden eher mit Frostschutzmittel gurgeln, als ein Gericht der internationalen Küche kosten.«
Er weiß von einem Erlebnis zu berichten, als er damit begann, »Gourmet Dinners« in Weston Park zu veranstalten. Beim ersten Mal setzte er »ausgelöste Lammkeule, gefüllt mit Knoblauchund Kräutern und serviert mit reduziertem Saft und Pilzfüllung« auf die Karte – ein Gericht, das in einem seiner Londoner Lokale großen Erfolg hatte. Niemand rührte es an, und als er einen der Gäste fragte, warum er es zurückgehen ließ, erwiderte dieser: »Da ist dieser verdammte Knoblauch drin!«
Drei Monate später servierte er das gleiche Gericht, nach exakt demselben Rezept zubereitet, nur vermied er diesmal mit Bedacht das Wort Knoblauch in der Beschreibung. Zufällig war der gleiche Gast wie beim ersten Mal zugegen. Der Earl sah ihn vom Lamm essen und erkundigte sich nach seinem Urteil. »Es schmeckt sehr lecker!«, lautete die Antwort. »Nur gut, dass Sie sich von dieser bescheuerten Idee mit dem Knoblauch verabschiedet haben. Das hätte auch sicher nichts Gutes ergeben. Dürften wir das Rezept bekommen . . .?«
Snobismus spielt in diesem Zusammenhang eine nicht zu unterschätzende Rolle. Er hat oft dazu beigetragen, eine Mode zu verbreiten, die später zum festen Bestandteil der englischen Lebensart wurde – wie man im Kapitel Tee noch sehen wird. Derselbe Snobismus hat auch bewirkt, dass gute, aber bescheidene Gerichte wegen ihrer Herkunft aus den unteren Schichten verachtet wurden. Meine eigene Familie gehört mit zu den Schuldigen. In Bury, der im Nordwesten gelegenen Industriestadt (heute ein Teil des Großraums Manchester), wo ich geboren wurde und aufwuchs, gab es drei ziemlich berühmte Spezialitäten: Simnel cake (Früchtekuchen mit Marzipanüberzug), Tripe (Kutteln) und Black Pudding (Blutwurst). Wir aßen zu gern Simnel Cake, aber es kam nie, nicht ein einziges Mal Tripe oder Black Pudding auf den Tisch. Das war Essen für Fabrikarbeiter, und deshalb sah man darauf herab. Selbst heute hätte ich wahrscheinlich noch Probleme mit den Kutteln, einfach wegen der Vorstellung, das Innere des Kuhmagens zu essen, aber ich weiß, dass ich beim Black Pudding, einer gehaltvollen, würzigen Blutwurstsorte, die bei allen möglichen internationalen Wettbewerben Preise einheimst, etwas versäumt habe.
Eine noch bedauerlichere Folge dieser Vergangenheit ist in meinen Augen der Mangel an Interesse auf Seiten der Regierung oder anderer offizieller Stellen, was die Erforschung, Pflege und Förderung der traditionellen und regionalen englischen Küche betrifft – außer natürlich, wenn sich Geld damit machen lässt. Soweit ich weiß, wurde das einzige offizielle Verzeichnis regionaler Produkte und Gerichte (›Traditional Foods of Britain‹, Prospect Books, Totnes, Devon, 1999) ausschließlich mit Mitteln der Europäischen Union initiiert und publiziert. (Und dennoch glauben viele Briten, dass die EU alles tut, um jedes Fitzelchen ihrer nationalen Identität zu zerstören!)
In ihrer Einleitung zeichnen die Autoren ein schockierendes Bild von den Schwierigkeiten, die sie beim Sammeln der Informationen hatten. »Die bloße Idee der Recherche rief Feindseligkeit von offizieller wie von privater Seite hervor. Das Eindringen von außen löste Ressentiments aus; und dann war da noch die bewusste Verschleierungstaktik vieler Briten, wenn es ums Essen geht, das mehr ist als tägliche Notwendigkeit – seine bloße Existenz könnte andere
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