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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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ist mein Freund«, murmelte Jericho, aber Wigram hörte nicht zu.
    »Und wie konnte er den Deutschen helfen? Indem er sie warnte, daß Enigma nicht sicher war. Und wie konnte er das tun?« Wigram lächelte und streckte die Hände vor. »Natürlich mit Hilfe von Rogerio Raposo, seinem alten Freund von 1940, kürzlich von Lissabon hierher versetzt und jetzt als Kurier bei der portugiesischen Gesandtschaft in London beschäftigt. Wie war´s mit einer Tasse Tee?«
    Für die teuren Hingeschiednen beten wir mit Hymnen, Worten zarter Liebe, die behütet deine Kinder allerorten…
    Senhor Raposo, sagte Wigram und nippte an seinem Tee, nachdem die Schwester wieder gegangen war, Senhor Raposo, gegenwärtig in Seiner Majestät Gefängnis Wandsworth einsitzend, hatte alles gestanden.
    Am 6. März hatte Pukowski ihn in London aufgesucht und ihm einen dünnen, versiegelten Umschlag ausgehändigt mit der Versicherung, er könnte eine Menge Geld einheimsen, wenn er ihn den richtigen Leuten übergab.
    Am folgenden Tag flog Raposo mit einer Linienmaschine der British Imperial Airways nach Lissabon. Besagten Umschlag hatte er bei sich und übergab ihn einer Kontaktperson im Stab des deutschen Marineattachés.
    Zwei Tage darauf änderte die U-Boot-Führung ihre Wetterchiffre, und es setzte eine allgemeine Sicherheitsüberprüfung der Verschlüsselungen ein - bei der Luftwaffe, beim Afrikakorps… Oh, die Deutschen waren interessiert. Natürlich waren sie das. Aber sie dachten nicht daran, das aufzugeben, was nach Behauptung ihrer Experten nach wie vor das sicherste Verschlüsselungssystem aller Zeiten war. Nicht aufgrund eines einzigen Briefes. Sie argwöhnten, es könnte ein Trick sein. Sie wollten Beweise. Sie wollten diesen mysteriösen Informanten in Berlin sehen, höchstpersönlich.
    »Das zumindest vermuten wir.«
    Am 14. März, zwei Tage vor Beginn der Geleitzugschlacht, unternahm Raposo seine nächste allwöchentliche Reise nach Lissabon und kehrte mit exakten Instruktionen für Pukowski zurück. Ein U-Boot würde in der Nacht des 18. vor der Nordwestküste Irlands auf ihn warten.
    »Und das war es, worüber sie sich im Zug miteinander unterhielten«, sagte Jericho.
    »Und das war es, worüber sie sich im Zug unterhielten. So ist es. Unser Mann Puck nahm sozusagen seine Fahrkarte in Empfang. Und soll ich Ihnen sagen, was wirklich erschreckend ist?« Wigram trank, mit elegant gekrümmtem kleinem Finger, einen weiteren Schluck Tee und sah Jericho über den Rand der Tasse hinweg an. »Wenn Sie nicht gewesen wären, hätte er es vielleicht sogar geschafft.«
    »Aber Claire hätte das alles niemals mitgemacht«, protestierte Jericho plötzlich. »Ein paar aufgefangene Funksprüche weiterleiten - vielleicht. Aus Jux. Vielleicht sogar aus Liebe. Aber sie war keine Verräterin.«
    »Großer Gott, nein.« Wigram reagierte entsetzt. »Nein, ich bin sicher, daß Pukowski mit keinem Wort erwähnt hat, was er vorhatte. Betrachten Sie es von seinem Standpunkt aus. Sie war das schwache Glied. Sie hätte ihn jeden Augenblick denunzieren können. Also stellen Sie sich vor, was er empfunden haben muß, als er Sie an diesem Freitag abend hereinkommen sah, als Sie aus Cambridge zurückgekehrt waren.«
    Jericho erinnerte sich an den entsetzten Ausdruck in Pucks Gesicht, diesen verzweifelten Versuch, ein Lächeln hervorzubringen. Er hatte bereits begriffen, was passiert sein mußte: Puck, der in ihrem Haus eine Nachricht hinterlassen hatte, daß er sie sprechen müßte; Claire, die um vier Uhr nachts in den Park hastete - klick, klick, klick auf ihren hohen Absätzen in der Dunkelheit. Er sagte leise, fast zu sich selbst: »Ich war ihr Todesurteil.«
    »Vermutlich. In gewisser Hinsicht. Er muß gewußt haben, daß Sie versuchen würden, sie wiederzusehen. Und dann, am nächsten Abend, als er zu ihrem Haus fuhr, um das Beweismaterial, die gestohlenen Kryptogramme, verschwinden zu lassen, und Sie dort vorfand… Nun ja…«
    Jericho lehnte sich zurück und starrte zur Decke, während Wigram den Rest der Geschichte herunterratterte. Wie er, an dem Abend, an dem die Geleitzugschlacht begann, von der Polizei erfahren hatte, daß ein Sack voller Frauenkleidung gefunden worden war. Wie er versucht hatte, Jericho zu finden, aber Jericho war verschwunden, also hatte er sich statt dessen Hester Wallace gegriffen und sie zu dem See gebracht. Wie sofort auf der Hand gelegen hatte, was passiert war, daß Claire erschlagen worden war, oder vielleicht auch

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