Enigma
Das Abenteuer der tanzenden Männchen zu lösen (er kam zu dem Schluß, daß es sich um ein vereinfachtes Playfair-Gittersystem handelte, mit umgekehrten und spiegelverkehrten Bildern), aber er konnte seine Ergebnisse nicht überprüfen, weil sie ihm keinen Bleistift und kein Papier gaben.
Gegen Ende der ersten Woche war er kräftig genug gewesen, um ein paar Schritte den Flur entlangzugehen und ohne Hilfe die Toilette aufzusuchen.
In dieser ganzen Zeit hatte er nur zwei Besucher: Logie und Wigram.
Logie mußte irgendwann Anfang April gekommen sein. Es war früher Abend, aber immer noch relativ hell, und Schatten fielen durch das kleine Zimmer - das Bett aus Metallröhren, weiß lackiert und verkratzt; der Rolltisch mil Wasserkrug und Metallbecken; der Stuhl. Jericho trug einen blaugestreiften, stark ausgeblichenen Pyjama; seine Handgelenke auf der Bettdecke sahen zerbrechlich aus. Nachdem die Schwester gegangen war, ließ Logie sich verlegen auf der Bettkante nieder und sagte, daß alle ihm gute Besserung wünschten.
»Auch Baxter?«
»Auch Baxter.«
»Sogar Skynner?«
»Nun ja, Skynner vielleicht nicht. Aber um ehrlich zu sein, ich habe Skynner in letzter Zeit kaum zu Gesicht bekommen. Er hat andere Dinge im Kopf.«
Logie redete eine Weile darüber, was jeder einzelne tat, dann fing er an, ihm von der Geleitzugschlacht zu erzählen, die, genau wie Cave es vorausgesagt hatte, fast eine Woche gedauert hatte. Zweiundzwanzig Frachter versenkt, bevor die Geleitzüge Deckung aus der Luft erhielten und die U-Boote verjagt werden konnten. 15 0000 Tonnen alliierter Schiffstonnage vernichtet und 16 0000 Tonnen Fracht verloren - darunter auch der Zwei-Wochen-Vorrat an Milchpulver, über den Skynner diesen peinlichen Witz gemacht hatte, erinnern Sie sich? Angeblich hatte sich die See, als das Schiff unterging, weiß gefärbt. »Die größte Geleitzugschlacht aller Zeiten«, hatte der deutsche Rundfunk sie genannt, und ausnahmsweise hatten die Kerle einmal nicht gelogen.
»Wie viele Tote?«
»Ungefähr vierhundert. Überwiegend Amerikaner.«
Jericho stöhnte. »Irgendwelche U-Boote versenkt?«
»Nur eins, glauben wir.«
»Und Shark?«
»Wir sind wieder drin, alter Junge.« Er tätschelte Jericho durch die Decke hindurch das Knie. »Sie sehen also, letzten Endes hat es sich doch gelohnt. Dank Ihnen.«
Die Bomben hatten vierzig Stunden gebraucht, um die Einstellungen zu finden, von Mitternacht am Dienstag bis zum späten Nachmittag des Donnerstags. Aber am Wochenende war es den Analytikern gelungen, die Wetterchiffre teilweise zu rekonstruieren - oder jedenfalls einen ausreichenden Teil, um einen Ansatzpunkt zu haben -, und jetzt knackten sie Shark an sechs von sieben Tagen, obwohl die Einbrüche manchmal reichlich spät kamen. Aber es mußte reichen. Es mußte reichen, bis sie im Juni die ersten Cobra-Bomben bekamen.
Ein Flugzeug flog in geringer Höhe über sie hinweg - dem Motorengeräusch nach zu urteilen eine Spitfire.
Nach einer Weile sagte Logie leise: »Skynner mußte die Pläne für die Vier-Walzen-Bomben den Amerikanern aushändigen.«
»Ach.«
»Nun ja, natürlich«, sagte Logie und verschränkte die Arme, »wird das alles als Kooperation deklariert. Aber niemand läßt sich davon täuschen. Ich jedenfalls nicht. Von jetzt an müssen wir von jeder U-Boot-Meldung in dem Moment, in dem wir sie auffangen, per Fernschreiber eine Kopie nach Washington schicken, und nun sind es zwei Teams, die freundschaftlich zusammenarbeiten, und was dergleichen schöne Worte mehr sind. Aber letzten Endes wird es auf brutale Gewalt hinauslaufen. Das tut es immer. Und wenn sie dann zehnmal so viele Bomben haben wie wir - was vermutlich nicht sehr lange dauern wird, höchstens sechs Monate, schätze ich -, welche Chancen haben wir dann noch? Wir besorgen das ganze Auffangen, und sie besorgen das ganze Entschlüsseln.«
»Wir können uns kaum beklagen.«
»Nein, ich weiß, daß wir das nicht können. Es ist nur… Unsere, meine und Ihre, beste Zeit liegt hinter uns.« Er seufzte, streckte die Beine aus und betrachtete seine riesigen Füße.
»Immerhin, die Sache hat vermutlich auch ihr Gutes.«
»Und was ist das?« Jericho sah ihn an, dann begriff er, was er meinte, und beide sagten gleichzeitig »Skynner!« und lachten.
»Er ist verdammt wütend«, sagte Logie befriedigt. »Die Sache mit Ihrer Freundin tut mir übrigens leid.«
»Nun ja…« Jericho machte eine schwache Handbewegung und stöhnte.
Es folgte ein
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