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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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aufzuräumen. So würde ich wenigstens eine Weile aus dem Haus kommen. »Es ist zu gefährlich«, sagte Asher, als er mich erwischte, wie ich meine Jacke anzog.
      »Mir passiert schon nichts.« Berühmte letzte Worte. Wie viele Leichen hatte man in irgendwelchen Gräben gefunden, nachdem sie zu Lebzeiten diese zuversichtliche Bemerkung gemacht hatten? Vermutlich ziemlich viele. Ich nahm die Autoschlüssel.
      »Nimm Reyn mit.«
       Ha, ha, ha! Sicher, könnte mir kaum ein perfekteres Timing vorstellen, um ihn um einen Gefallen zu bitten.
      »Ich bin zum Mittagessen zurück.« Vorausgesetzt, dass ich das Auto nicht Richtung Westen steuere und weiterfahre bis zum Pazifik. Vielleicht auch in den Pazifik.
      Als ich wie mit Autopilot in die Stadt fuhr, bombardierte
      mich mein Gehirn mit Fragen: Konnte mein Onkel noch am Leben sein? Hatte ich die Sache mit Reyn wirklich für immer vergeigt? Wie fühlte ich mich damit? Wann würde ich River das mit dem Schutzzauber beichten?
      Ich parkte auf der Straße vor MacIntyres Laden, ließ die
      Hände am Lenkrad und legte einen Moment lang den Kopf darauf. Denk positiv, denk positiv!
      Nun, ich war noch nicht davongelaufen. Das war doch schon etwas. Auch wenn zurzeit alles schwierig und unbehaglich war, tauchte ich trotzdem zum Frühstück auf und schlief jede Nacht in meinem Bett. Dafür hatte ich wohl Extrapunkte verdient. Meine Schuhe brachten die Metalltreppe, die zu den Wohnungen hinaufführte, zum Klingen. Ich blieb vor der zweiten Tür stehen. Die Wohnung zu sehen, in die Dray eingebrochen war machte mich sofort wieder wütend. Jemand hatte das Türschloss ersetzt und den Rahmen repariert, aber drinnen herrschte immer noch Chaos. Allerdings hatte jemand Putzmittel hingestellt. Ich nahm mir einen Müllsack und begann, die Abfälle energischer als nötig hineinzuwerfen.
      Es war nichts Falsches daran, wie ich bei Reyn reagiert hatte. Es war seine Schuld, dass er sich so merkwürdig und schwierig gebärdete. Eine Sekunde lang hielt ich inne und erinnerte mich an sein Gesicht und den Klang seiner Stimme, als er »Ich liebe dich« gesagt hatte. Ein blöder, sehr kleiner Teil von mir hatte bei diesen Worten Freude und Entzücken verspürt. Aber ich hatte keine Kraft für eine ausgewachsene Beziehung. Es beanspruchte mich schon meine ganze Energie und mein sehr geringes emotionales Gleichgewicht, vierundzwanzig Stunden am Tag ich selbst zu sein.
      Ich trat eine Bierdose platt und warf sie in den Müllsack.
      Wieso war er überhaupt hinter mir her? Er wusste doch genau wie verkorkst ich bin. Er hätte es überhaupt nicht erst versuchen sollen!
      Ich hatte gerade damit begonnen, den Fußboden zu fegen, als mich das Geräusch einer Autotür aus dem Fenster sehen ließ. Im nächsten Augenblick holte ich erschrocken Luft und trat einen Schritt zurück.
      Es war das gruselige Pärchen vom letzten Herbst.
      Ich hatte bei MacIntyre gearbeitet. Das Paar war hereingekommen, hatte ein Mittel gegen Allergien gekauft und war wieder gegangen. Sonst nichts. Aber ihr Auftauchen hatte meine Knie in Wackelpudding verwandelt, ohne dass ich den Grund dafür kannte.
      Und jetzt waren sie wieder da und hatten dieselbe Wirkung auf mich. Ohne Vorwarnung bekam ich panische Angst. Sehr vorsichtig wich ich noch weiter zurück, um bloß keine hastige Bewegung zu machen, die die Aufmerksamkeit der beiden erregen würde. Als ich glaubte, außer Sichtweite zu sein, ließ ich mich auf Hände und Knie fallen und krabbelte zur Vordertür der Wohnung, die ich hektisch abschloss.
      Dann kroch ich zurück zum Fenster und spähte hinaus.
       Es war dasselbe Auto wie beim letzten Mal, ein teurer
      schwarzer Mercedes. Das strohfarbene Haar der Frau war jetzt länger und so zusammengebunden, dass es ihr nicht im Gesicht hing. Der Mann sah in seinem dunklen Anzug wieder tadellos gekleidet aus und wirkte dennoch grausam.
      Die Angst krampfte mir den Magen zusammen. Mein Herz hämmerte wie verrückt. Ich wünschte, ich hätte mein Amulett dabei - in letzter Zeit trug ich es oft verborgen unter der Kleidung. Aber hätte es die beiden vielleicht sogar zu mir geführt?
      Hätten sie seine Kraft spüren können?
      Ohne einen Laut von mir zu geben, wiederholte ich jede Beschwörung gegen das Böse, die ich kannte und die ich auch immer aufgesagt hatte, nachdem Incy verschwunden war. Ich hatte gestern aufgehört, sie zu sagen, nachdem ...
      Ich riskierte noch einen Blick. Ich konnte

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