Entfesselt
Stimme war nur ein Murmeln, wie eine Vibration an meiner Wange. Als er mich endlich auf den Mund küsste, war es eine Erleichterung und eine willkommene Flucht vor den schrecklichen Bildern, die sich in mein Gehirn eingebrannt hatten.
Unsere Küsse flammten wie üblich auf wie ein vom Blitz getroffener Baum: eine plötzliche Explosion, weiß glühend und unter Hochspannung stehend. Seine Finger glitten über mich, hinterließen heiße Spuren und landeten an dem Tuch, das ich um den Hals trug. Ohne ein Wort begann er, es abzunehmen, und ich griff reflexartig mit beiden Händen danach.
»Ich habe die Narbe gesehen«, sagte er leise. »Ich habe auch so eine.«
Ich ließ die Hände sinken. Ohne den Blickkontakt zu mir zu unterbrechen, nahm er mir das Tuch ab und legte es zur Seite. Ich knöpfte sein Hemd auf und streifte es ihm von den Schultern. Als ich die Narbe auf seiner Brust sah, küsste ich sie, als könnte das sie verschwinden lassen. Ein kleiner Laut, der tief aus seiner Kehle kam, ließ mich erschauern und ich lächelte ein wenig. Ich fühlte mich unheimlich stark, weil ich Reyn dazu bringen konnte, dass er erbebte und hastig atmete. Seine hohen Wangenknochen waren gerötet und seine bernsteinfarbenen Augen funkelten, als er mein Sweatshirt und das warme Unterhemd, das ich darunter trug, hochschob. Dann lag Haut auf Haut, glühend heiß, und wir hielten einander fest und küssten uns. Über uns prasselte immer noch der Regen aufs Dach, was uns ein Gefühl der Abgeschiedenheit und Sicherheit vermittelte. Oh ja. Endlich. Darauf hatte ich so lange gewartet.
Ich griff nach ihm und meine Finger krallten sich in seine Arme, als müsste er mich vor dem Ertrinken retten. Er packte den Bund meiner Jeans und zog sie herunter. Ich konnte das warme kratzige Heu an den nackten Beinen spüren.
Ungeduldig schüttelte er sein Hemd ab und ich setzte mich auf und zog ihn über mich. Meine Hände strichen über seine glatte Haut wie über einen sonnengewärmten, polierten Stein. Unsere Münder waren so hungrig - ich hatte noch nie jemanden so sehr küssen wollen, noch nie jemandem so nah sein wollen, noch nie jemanden so festgehalten.
Als er herunterrutschte, um meinen Bauch, meine Brüste und die Haut über dem Bund meiner todlangweiligen Unterhose zu küssen, fingen die ersten Alarmglocken in meinem Kopf an zu schrillen. Hatte ich das alles zu Ende gedacht?
Was machte ich hier? Was würde er hinterher von mir erwarten? Würde er sich einbilden, dass ich ihm gehörte? Erwarten, dass ich nur noch für ihn da war? Ich hatte keine Ahnung. Ich meine ich wollte ihn. Aber für immer? Ich wusste es nicht und eigentlich war es mir auch egal, denn es fühlte sich zu toll an. Er brauchte nur ein paar Sekunden, um zu merken, dass sich etwas geändert hatte. Er hielt inne und sah mir ins Gesicht. »Was ist los?«, fragte er. Seine Stimme klang rau und er war ganz außer Atem.
»Was? Nichts. Komm her.« Ich schloss die Augen, griff nach ihm und versuchte, alle Gedanken auszublenden. Als er sich sträubte, sah ich zu ihm auf.
»Lilja, was ist los?« Jetzt war sein Ton schon etwas schärfer. »Nichts! Komm schon, es wurde doch gerade interessant.« Ich bedachte ihn mit einem koketten Lächeln - eines aus dem Arsenal, das ich über ein Jahrhundert nicht mehr geöffnet hatte.
Er zog sich zurück, hockte sich auf die Fersen und sah mich an. Verlegen schob ich mein Hemd wieder über meinen Bauch. »Was ist dein Problem?« Die ganze Situation wurde immer peinlicher.
Er schüttelte nachdenklich den Kopf. »Ich dachte, wir würden das Gleiche wollen. Aber ... Lilja -« Er strich sich mit einer ruckartigen Bewegung die Haare aus der Stirn. Er atmete immer noch schwer. Sah immer noch umwerfend aus. »Willst du mich denn?«
Mein Kopf fuhr hoch. »Ja«, sagte ich absolut ehrlich.
»Liebst du mich?«
Mir klappte der Unterkiefer herunter. Wir hatten noch nie über Liebe gesprochen. Er änderte einfach die Regeln. »Wovon redest du?«
»Ich liebe dich.« Er sah vollkommen gelassen aus, wenn man bedachte, mit welch grauenvollen Worten er da so leichtfertig um sich warf.
Ich schnappte nach Luft. Ohne Vorwarnung tauchte Incys Stimme in meinem Kopf auf: »Niemand wird dich je so lieben wie ich.«
»Bitte was?«, fragte ich Reyn schockiert.
Sein Gesicht verschloss sich und er griff nach seinem Hemd, das er über einen Heuballen geworfen hatte. Er zog es mit flinken Bewegungen wieder an und
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