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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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es tat mir weh, seine Brust nicht mehr sehen zu können.
      »Was erwartest du von mir?«, fragte ich und schlang mir mein Tuch wieder um den Hals. »Ich meine, immerhin bin ich bereit, mit dir zu schlafen! Ich will ja nicht angeben, aber eine Menge Männer wären damit zufrieden und würden gar nicht mehr wollen.«
      Verärgerung flammte in seinen Augen auf, als er seine Hose zuknöpfte. »Ich bin aber keine Menge Männer.« Er knurrte die Worte mit zusammengebissenen Zähnen.
      »Hör mal«, sagte ich und stand auf, um meine Hose hochzuziehen. »Wieso musst du von Liebe anfangen? Du weißt, dass ich dir ... vertraue. Dass ich dich will. Wieso musst du jetzt noch auf diese andere Sache bestehen?«
      Er sah verächtlich auf mich herab. »Weil ich den Hals nicht voll genug kriegen kann?«
      Ich wuschelte mir das Heu aus den Haaren. »Hör zu, ich bin nicht gut in diesen Beziehungskisten. Tut mir leid, aber das ist eben so, Ich wünschte, es wäre nicht so. Ich wünschte, ich könnte dir geben, was du willst. Aber ich kenne mich. Ich werde dich betrügen. Dich verlassen. Dich abservieren. Das tue ich immer.«
      »Danke, jetzt komme ich mir wirklich wie etwas ganz Besonderes vor.« Seine Stimme war so kalt und abweisend, dass ich am liebsten wieder angefangen hätte zu weinen.
      Es tat weh, auch nur zu ihm hinzusehen, selbst für den Bruchteil einer Sekunde. »Du bist etwas Besonderes. Du bist bis hierhergekommen, viel weiter als irgendjemand anders, den ich in den letzten hundert Jahren an mich herangelassen habe. Und ich mache mir sehr wohl etwas aus dir.«
      Im Stehen schien Reyn mich drohend zu überragen. Sein Gesicht war verbissen und seine Fäuste geballt, aber ich würde nie wieder Angst vor ihm haben. Ich wusste, dass er mir nie wehtun würde.
      »Du bist so was von gestört.« Er versuchte, seine Stimme unter Kontrolle zu behalten. »Und so was von feige.«
      »Wieso bin ich feige? Immerhin bin ich bereit, mit dem Winterschlächter zu schlafen!«
      Er sah mich wutentbrannt an.
      »Wieso können wir nicht einfach Sex haben und das war's?«, forderte ich ihn heraus. »Wieso muss unbedingt mehr daraus werden? Du weißt doch genau, wie weh es tut, etwas zu verlieren! Du weißt, wie unerträglich es ist, jemanden zu verlieren, den man lie-«
      Die goldenen Augen flammten auf, aber ich unterbrach mich gerade noch rechtzeitig. Im Heu regte sich etwas Weißes. Dufa schaute mit schräg gehaltenem Kopf beunruhigt zu uns auf. Ich hatte dieses dämliche Streitgespräch satt. Ich stach Reyn mit dem Zeigefinger in die Brust, wobei ich ihn mir fast brach. »Und gewöhn deinem Hund ab, die Leiter hochzuklettern«, zischte ich. »Das ist total abartig!« Ich stürmte an ihm vorbei und stieg so hastig vom Heuboden, dass ich beinahe von der Leiter gefallen wäre - und das wäre der Gipfel der Peinlichkeit gewesen. Ich hasse mich selbst dafür, dass ich mich fragte, ob er mir wohl nachlaufen würde, aber ich hörte nichts hinter mir, als ich zur Stalltür rannte.
      Durch den Regen und die Dunkelheit zum Haus zurückzurennen, war eindeutig der Höhepunkt von einem der schlimmsten Tage meines Lebens.

22
 
      Man kommt nicht so schnell darüber hinweg, den Kopf seines ehemals besten Freundes in einem Paket zu finden. Diese Tatsache würde mich noch lange beschäftigen. Und wie allgemein bekannt ist, dauert eine Ewigkeit bei mir sehr lange.
      Man kommt auch nicht schnell über Reyn hinweg. Wieso machte er alles so kompliziert? Wieso konnten wir nichts Einfaches haben? Ein kleiner Teil von mir wollte sich an das Wort Liebe heranpirschen und es mit einem Stock piksen, aber mein Gehirn schaltete jedes Mal ab, wenn ich auch nur daran dachte.
      Am nächsten Morgen kam mir alles in River's Edge überwältigend und schwer vor. Jedes Mal wenn ich die Diele betrat, hatte ich verstörende Flashbacks von Incy. Außerdem belastete mich das Wissen, dass ich Rivers großartigen Zauber zerstört hatte, von Minute zu Minute mehr. Ich musste es ihr sagen. Aber wie? Würde sie meine schlimmste Befürchtung bestätigen, dass ich von Natur aus dunkel war? Das könnte ich nicht ertragen.
      Reyns Worte, dass ich feige und total gestört wäre, stürzten etwa neunmal pro Stunde auf mich ein.
      Es war Samstag; niemand würde auf meiner Baustelle in der Stadt arbeiten. Ich musste wieder an die Wohnung denken, die Dray und ihre Loserfreunde verwüstet hatten - noch so eine miese Sache -, und beschloss, hinzufahren und

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