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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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nicht.« Irgendwie war ich mir dessen sicher.
      »Stimmt«, sagte Asher, der schon wieder deprimiert aussah. »Ich schätze, Rachel könnte es, aber ich bin ziemlich sicher, dass sie so etwas nicht tun würde.« Es war merkwürdig, zu überlegen, was ich von den anderen hielt. Nachdem ich einige eindeutig ausgeschlossen hatte, erforderten die anderen intensiveres Nachdenken. »Ich glaube nicht, dass Reyn stark genug
      ist. Außerdem bin ich sicher, dass er so was nicht tun würde.« Schließlich hat auch ein Winterschlächter Prinzipien.
      River und Asher sahen sich an.
      Mir wurde unangenehm bewusst, dass ich es nicht näher eingrenzen wollte. Der Gedanke, dass es jemand von hier gewesen sein sollte, traf mich plötzlich wie ein Hammerschlag.
      »Oh mein Gott«, sagte ich langsam. »Es war echt einer von uns. Das habe ich jetzt erst begriffen.«
      River nickte bedrückt. »Es ist schwer, es sich vorzustellen.« »Ich möchte, dass du Folgendes tust«, sagte Asher, »Bitte denk gründlich nach, ob du dich an irgendeinen Hinweis erinnern kannst, wer es gewesen sein könnte. Außerdem möchte ich dich bitten, dies alles für dich zu behalten. River und ich haben unseren Verdacht noch niemandem mitgeteilt.« »Okay«, sagte ich. »Okay.«
      Und das war es. Mein großes Geständnis. Ihre große Enthüllung. Und die Gewissheit, dass es jemanden unter uns gab, der gefährlich war.

25
 
      Ende der 1570er-Jahre hatte ich genug Geld für eine Seereise von Island nach Norwegen gespart. Als ich klein war, hatte mir mein Vater auf einer großen, sehr schön gezeichneten Karte gezeigt, wo Island lag und wo Grönland, Norwegen und Schweden waren. Er sprach von den anderen Ländern, als wären sie ungeheuer verlockend, müssten aber unter allen Umständen gemieden werden. Ich fragte ihn, ob er schon in diesen Ländern gewesen war, was er bejahte. Aber als ich fragte, ob er eines Tages dorthin zurückkehren würde, hatte er geantwortet, dass er das niemals tun würde, so Gott wolle.
      Nachdem mein Mann 1569 gestorben war, schlug ich mich nach Reykjavik durch und wurde dort Hausmädchen. Die Hausherrin Helgar war es, die mich mit der Offenbarung schockte, dass ich unsterblich war (unsterblich!). Sie erzählte mir alles, was sie wusste, über unsere Kräfte, Gewohnheiten und unsere Geschichte. Was nicht viel war. Ihre unerschütterliche Überzeugung, dass alle Unsterblichen von Geburt an dunkel sind, hatte mich die nächsten vierhundertundnochwas Jahre begleitet.
      Als ihr Stallbursche anfing, mich zu sehr zu bedrängen, geriet ich in Panik und verschwand. Ich packte meine Habseligkeiten in ein Tuch und schlich mitten in der Nacht davon wie eine Maus. Der Stallbursche war kein schlechter Mensch - er hatte mir einen Heiratsantrag gemacht und war eigentlich ganz nett. Niemand konnte begreifen, wieso ich ihn abwies. Aber ich wollte nie wieder heiraten.
      Reykjavik war eine Hafenstadt und so war es kein Problem, einen Platz auf dem nächsten Handelsschiff zu bekommen, das ins mysteriöse, exotische, fremdartige ... Norwegen fuhr. Diese Reise war ein Albtraum. Es ist fast unmöglich zu beschreiben, wie grauenhaft sie war.
      Sie war eine der letzten, bevor die Schifffahrt den Winter über eingestellt wurde. Und wir sprechen hier von Island und Norwegen, also war das Wetter ohnehin das Letzte. Dazu kam noch die kleine Eiszeit, die im Mittelalter herrschte (doch, wirklich, das kann man nachlesen!), und deshalb reden wir hier von beißender Kälte, schneidendem Wind und düsteren, halbherzigen Tagen, die vormittags um zehn begannen und um vierzehn Uhr schon wieder vorbei waren.
      Es war ein schmales Boot von etwa zehn Metern Länge und vielleicht drei Metern Breite. Den Elementen war es schutzlos ausgeliefert: Wind, Eis, Eisregen, normalem Regen, hoch spritzendem Salzwasser und so weiter. Es gab nirgendwo Schutz, nicht einmal für den Kapitän. Zu essen gab es getrockneten, eingesalzenen Hering und gelegentlich gab es noch einen zweiten Gang, der aus Hering bestand. Und manchmal bekamen wir sogar Frühstück oder Nachtisch - ganz genau: Hering. Ich weiß noch, wie einige meiner Mitreisenden gejubelt haben, als endlich das gummiartige gepökelte Haifleisch angebrochen wurde. Meine eigenen mickrigen Vorräte, bestehend aus einem halben Laib Brot und ein paar getrockneten Äpfeln, wurden sofort durchweicht und verwandelten sich in eine salzige Pampe.
      Mein Bett bestand aus einem Jutesack an Deck und mein Kissen war

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