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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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winzigen Riss in einem Dielenbrett - es war fast, als hätte ich verlernt, wie man gelangweilt dreinschaut, wie man wichtige Dinge scheinbar ungerührt vorbringt. Mist. »Auf jeden Fall wollte ich unbedingt ein Teil von diesem wundervollen, faszinierenden Zauber sein. Ich wollte nicht diejenige sein, die nicht teilnehmen durfte. Also habe ich mitgemacht.«
      »Und dann?«
      »Zuerst hat sich meine Stimme nicht so glatt eingefügt wie die der anderen. Aber ich ... ich habe meine Augen geschlossen, gesungen und im Kopf gesehen, wie alles zusammenlief.
      Und kurz darauf kam mir meine Stimme vor wie all die anderen - wie ein Teil davon, nahtlos. Es war wie ein Kunstwerk.«
       River nickte, ohne dabei zu lächeln. »Fandest du den Zauber perfekt?«
      Ich wollte schon Ja sagen, doch dann dachte ich daran zurück. »Nein«, antwortete ich langsam und Rivers Blick wurde sofort aufmerksamer. »Ich meine - die Form war perfekt. Der Aufbau. Die Schichten, die Beschränkungen, die Kräfte, die er geweckt hat. Das alles war perfekter, als ich es mir vorstellen konnte. Aber etwas stimmte nicht.«
      »Was meinst du? Was stimmte nicht?«
      Ich sah verblüfft auf Rivers Hände. Sie hatte sie im Schoß verschränkt, als 'würde sie versuchen, sie still zu halten. Ihre Knöchel wurden schon ganz weiß.
      »Was stimmte nicht?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
      »Da waren -« Ich wusste nicht, wie ich es beschreiben sollte, und wollte auf keinen Fall etwas kritisieren, an dem sie so hart gearbeitet hatte. »Irgendwie fehlten Stücke. Als wäre es ein Wandteppich mit einem perfekten Muster, fast perfekt gewebt, aber an manchen Stellen fehlte etwas Wolle, sodass kleine kahle Flecke entstanden. Oder Flecke, die nachträglich geflickt wurden. Es hat mich gewundert - ich wollte das nicht, aber vielleicht war es meine Schuld. Alles in mir - mein ganzes Ich wollte ein Teil dieser Schönheit sein. Aber da ich eigentlich nicht dabei sein durfte, habe ich die Struktur vielleicht irgendwie beschädigt.«
      River atmete hörbar aus und fuhr in ihrem Sessel zurück, als hätte ich sie geschlagen.
      Aufgeschreckt versuchte ich etwas zu meiner Entschuldigung vorzubringen. »Es tut mir so leid, es war falsch, ich wollte nicht -«
      »Ksch!«, machte River und brachte mich mit einer Handbewegung zum Schweigen. Mein Mund klappte zu wie der einer Marionette. River sprang aus dem Sessel, eilte zur Tür, riss sie auf und rief: »Asher! Asher!«
      Oh Gott, sie rief Asher, damit er mich hinauswarf! Es war so viel schlimmer - ich hätte längst erkennen müssen, wie schlimm - und ich hätte es sofort beichten müssen. Ich hatte mich selbst belogen, mir einzureden versucht, dass es nicht so dramatisch war, dass sie mir vergeben und mich nie zum Gehen auffordern würde.
      Heiße Tränen der Verlegenheit traten mir in die Augen, als ich aufstand. »Du brauchst ihn nicht zu holen - ich gehe freiwillig«, würgte ich hervor. »Ich gehe sofort.«
      Das erregte Rivers Aufmerksamkeit und sie drehte sich zu mir um. »Was redest du da? Setz dich hin!«
      Zittrig setzte ich mich wieder hin und fuhr mir mit dem Ärmel über die Augen. Okay, sie wollten mich anscheinend erst anschreien. Vorwürfe und Empörung und alles, was dazugehörte. Gut, ich hatte es verdient. Ich hatte einen schweren Fehler gemacht und würde alles schlucken, was sie mir an den Kopf warfen. Das war das Mindeste, was ich tun konnte. Dann würde ich fortgehen oder tun, was sie sonst von mir erwarteten. Ich konnte nur ahnen, wie satt River es mittlerweile haben musste, einen brauchbaren Menschen aus mir machen zu wollen. Kaum eine Minute später tauchte Asher auf. Er sah beunruhigt aus. River schloss die Tür hinter ihm und er nahm ihre Hand. Erst da bemerkte er, dass ich wie ein Häufchen Elend auf einem der Sessel am Fenster saß und krampfhaft versuchte nicht zu weinen.
      »Was ist los, Schatz?«
      River zog ihn zum Fenster und holte einen Hocker für ihn. »Nastasja, erzähl Asher alles, was du mir gerade gesagt hast. Lass nichts aus.«
      Ich musste die beschämende Geschichte also noch einmal erzählen. Schniefend nickte ich und berichtete dann mit leiser Stimme, die immer wieder brach, die ganze blöde Story, wie ich den Schutzzauber ruiniert hatte.
      »Erzähl ihm von den fehlenden Teilen«, verlangte River. »Ich schätze, das war meine Schuld«, sagte ich. Wessen auch sonst? Es konnte nur meine Schuld sein, wenn River mich zwang, Asher

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