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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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den Kopf.
      »Er blutet am Kopf«, sagte Anne.
      »Ich habe ihm mit einer Schaufel eins übergezogen«, sagte Brynne. »Er hatte Nastasja umgeworfen und wollte sich gerade auf sie stürzen.«
      Daniel erstarrte, als ihm bewusst wurde, dass die beiden tatsächlich gesehen hatten, was er mit mir gemacht hatte. Seine Augen bekamen einen berechnenden Ausdruck und er setzte all seine Kraft ein, um seine Fesseln zu sprengen.
      Joshua riss am Seil und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. »Daniel!«, sagte River energischer. »Wie konntest du das tun? Wer hat dich dazu angestiftet?« Ihr Gesicht war streng, die Stimme gereizt. Doch darunter konnte ich eine tiefe Traurigkeit und die Enttäuschung spüren, vom eigenen Bruder verraten worden zu sein.
      Daniel starrte sie mit seinen braunen Augen trotzig an. Joshua riss ihm das Taschentuch aus dem Mund.
      »Rede, Bruder.« Joshuas Stimme klang so scharf wie eine Klinge, die über Eis kratzt. Hätte er mich so angesprochen, wäre ich vermutlich vor Angst in Ohnmacht gefallen. Daniel sagte nichts und Joshua riss härter am Seil. Ich sah die Schwellungen an Daniels Handgelenken, wo der Strick bereits die Haut abschürfte.
      »Du hättest dich niemals mit ihr abgeben sollen«, sagte Daniel und deutete mit einem Kopfnicken auf mich.
      »Und warum nicht, Ugolinus?« River war äußerlich ganz ruhig, aber unter dieser Ruhe brodelte die Wut. Daniel hatte Joshua Dominicus genannt und River Daniel Ugolinus. Wahrscheinlich waren dies ihre Geburtsnamen und damit von besonderer Bedeutung, so wie Lilja für mich eine besondere Bedeutung hatte.
      »Manchmal erben Leute, die es nicht verdienen.« Sein kalter Blick ließ Rivers Miene versteinern.
      »Ach, tatsächlich?« Ihr sanfter Tonfall täuschte. »Wie wer zum Beispiel?«
      »Wenn du wählen könntest zwischen einem wertlosen Stück Abfall und einer sehr gebildeten und mächtigen Person -«, begann Daniel, doch dann grunzte er vor Schmerz, weil Joshua das Seil so verdrehte, dass es seinem Bruder die Haut von den Handgelenken riss.
      Mein Gesicht glühte - wir wissen ja genau, wer mit dem wertlosen Stück Abfall gemeint war.
      Ich hatte River schon gereizt, verärgert und enttäuscht erlebt, aber so wie jetzt hatte ich sie noch nie gesehen und war froh darüber. Die warmherzige, verzeihende und großzügige River, der Rettungsanker in meinem Leben, verwandelte sich vor meinen Augen in eine Marmorstatue. Sie wurde zu Diavola, die ich in einer Vision gesehen hatte, als sie gerade einmal dreihundert Jahre alt gewesen war. Die Diavola, die ihre eigenen Eltern ermordet hatte. Es war über tausend Jahre her, seit Daniel dieser Diavola begegnet war, und als ihm das klar wurde, begann er, nervös zu blinzeln, und sah plötzlich nicht mehr so selbstgefällig aus.
      River beugte sich langsam über Daniel. »Von welcher sehr gebildeten und mächtigen Person reden wir hier, Ugolinus?« Ihre Stimme war jetzt nur noch ein schmeichelndes Wispern. So wie das leise Zischen einer Schlange kurz vor dem Zuschnappen. Daniel presste die Lippen zusammen.
      Joshua legte seine Hand auf Daniels Hals und übte Druck auf einen Nerv aus, was anscheinend so schmerzhaft war, dass Daniel der Schweiß ausbrach und er zittrig nach Luft
      schnappte.
      »Antworte ihr, Bruder.«
      Ich betete, dass er mich nie mit dieser Stimme ansprechen würde. Brynnes Finger berührten meine und ich griff verstört nach ihrer Hand.
      Daniel blieb stumm.
      »Ich kümmere mich um ihn«, sagte Joshua. Er riss am Seil und zerrte Daniel daran aus der Küche.
      »Das wirst du bereuen!«, begann Daniel, doch dann würgte er nur noch, weil Joshua ihm wieder das Taschentuch in den Mund gestopft hatte. Er zog seinen Bruder durch die Schwingtür und wir anderen blieben geschockt zurück.
      River atmete hörbar aus. Sie schien wieder mehr sie selbst zu sein, aber sie sah erschöpft aus, als sie sich zu mir umdrehte. »Sag mir, was Daniel getan und gesagt hat.«
      Ich erzählte ihr alles und ihre Empörung wuchs, je mehr ich berichtete.
      Sie sah mich mit ihren klaren braunen Augen an. »Hast du ihm geglaubt?«
      Natürlich wollte ich beteuern, wie vertrauensvoll und unerschütterlich ich war. Leider fiel mir wieder ein, dass River
      mich nur zu gut kannte.
      »Anfangs schon«, gab ich also zu. »Aber nur kurz. Dann
      dachte ich, dass das vielleicht ein Test oder so was war. Und dann dachte ich, dass er einfach nur Blödsinn erzählt.«
      »Dann

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