Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
Vom Netzwerk:
isländische Erbin.« Sie hob die Hand, und diese alberne freundliche Geste brachte mich zum Lächeln. Ich beugte mich zu ihr und schlug ein.
      Im ganzen Raum herrschte Schweigen, als Ottavio diese unwillkommene Neuigkeit verdaute. Ein Großteil seiner Überheblichkeit war verschwunden. Er plumpste zurück auf die Bank, als hätten die Knie unter ihm nachgegeben, ließ mich aber nicht aus den Augen. Dann murmelte er: »Erbin des Hauses von Island. Ulfur Tochter.«
      »Jep«, bestätigte ich und fühlte mich plötzlich total erleichtert und gleichzeitig halb verhungert. Also setzte ich mich ebenfalls wieder hin und griff nach meinem Sandwich. Der Name meines Vaters, Ulfur, bedeutete »Wolf«. Ich hatte ihn also »Wolf, der Wolf« genannt. Aber egal, es klang einfach besser so.
      »Nun«, sagte Lorenz und stützte beide Hände auf den Tisch. Lorenz war Italiener und erst ungefähr 120 Jahre alt. Er war einer der schönsten Männer, die ich je gesehen hatte, mit tiefschwarzen glatten Haaren und leuchtend blauen Augen, dennoch ließ er mein Herz kein bisschen schneller schlagen. »Dann werde ich eben derjenige sein, der es ausspricht, wenn sich sonst keiner traut.»
      Ich schaute auf, leicht geschockt.
      »Wir wissen, dass du die Erbin eines sehr alten Throns bist«, sagte er langsam und deutlich. »Die Tochter eines Königs.« »Sieht so aus«, sagte ich abwartend und mit vollem Mund.
      »Dann kann ich es nicht länger für mich behalten.« Er musterte mich vorwurfsvoll. »Unter diesen Umständen ist dein mangelnder Sinn für Mode noch unbegreiflicher.«
      Ein paar der anderen gaben einen gedämpften Schnaufer von sich und konzentrierten sich schnell wieder auf ihr Essen.
      Ich lächelte, dann fing ich an zu kichern und konnte nicht wieder aufhören. Als auch die anderen loslachten, verspürte ich ein umwerfendes Gefühl der Erleichterung - ich würde sogar sagen, ein Gefühl der Zugehörigkeit. Schluck das, Ott.

4
 
      Wie sich heraustellte, hatte Ott nicht vor, es zu schlucken, und auch nichts anderes, das ich ihm an den Kopf geworfen hatte. Als ich am nächsten Morgen nach unten kam, hörte ich River und ihren Bruder im Büro streiten. Natürlich schlich ich zur Tür und lauschte. Ich meine, sooo gut ist doch wohl keiner, oder?
      Anfangs verstand ich fast gar nichts - ich vermutete, dass die beiden richtig altes Italienisch sprachen. Aber das änderte sich im Laufe ihres Streits - ich hörte eine Form des Deutschen und dann etwas entfernt Spanisches, aber nichts von allem verstand ich wirklich. Was eigentlich komisch war, weil ich eine Begabung für Sprachen habe. Ich lerne sie schnell und kann mühelos von einer zur anderen wechseln. Aber River und Ottavio schienen uralte Dialekte zu benutzen. Ich beherrsche die nordischen Sprachen von der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts an und seit dem frühen siebzehnten auch die meisten romanischen. Später kamen dann weitere dazu: die slawischen Dialekte, Russisch, Japanisch, ein bisschen Mandarin, Englisch.
      »Du bist so stur!«, hörte ich River fauchen. Das verstand ich.
      »Und du bist naiv!«, fuhr Ottavio sie an. »Und leicht zu täuschen! Woher willst du wissen, dass dieses Mädchen Ulfurs Erbin ist?«
      »Noch einmal. Ich sage es dir noch einmal. Ich war in ihrem Kopf. Ich habe Bilder aus der Vergangenheit mit ihr geteilt. Ihre Geschichte ist wahr. Außerdem besitzt sie den Tarak-Sin.
      »Sie kann ihn gestohlen haben!«
      Das verletzte mein zartes Seelchen und ich wünschte, die beiden würden wieder ins Altdeutsche oder so etwas wechseln.
      »Où est-il maintenant?«, fragte Ottavio streng.
      »Avec Asher«, antwortete River müde. »Il est cassé. Asher est en train de le réparer.«
      Stimmt genau, dachte ich, Asher repariert meinen Tarak-Sin. Ich beschloss, River und Ott allein weiterstreiten zu lassen. Weil Lauschen nämlich falsch ist.
      Ich war an diesem Morgen mit dem Melken an der Reihe und so trottete ich über den Hof in den Kuhstall, der auch ein paar Schafe und Ziegen beherbergte. Jess war beim Ausmisten der Laufställe und Daisuke bereitete das Futter vor, indem er die Heurationen mit Ziegenfutter, Schaffutter und Kuhfutter vermischte. Er nickte mir zu und lächelte, als ich mit den sterilisierten Eimern hereinkam.
      Nach, der Szene vom vergangenen Abend war ich mir blöd vorgekommen und hatte mich sofort auf mein Zimmer verdrückt. Die Tragödie meiner Kindheit wieder heraufzubeschwören, fühlte sich immer an,

Weitere Kostenlose Bücher