Entfesselte Energien (Band 1)
verschwindenden Lächeln zurückzog, flüsterte Luschida der Freundin ins Ohr: „Er nicht gut von die Abend sprechen!“
Tess gab ihr einen kleinen Klaps. „Pabalapab!“, prasselte sie ihr lachend ins Ohr.
Ohne Erfolg. „Sie viel weinen!“, raunte die Chilenin ernst und bedeutungsvoll.
Tess ging schnell auf ihr Zimmer. Schade! Sehr schade, dachte sie bei sich. Ich dachte am ersten Tage, es wäre schlimm, unter dem Pantoffel zu stehen – o Leo! Es gibt noch schlimmere Dinge. – Wenn du wenigstens mit der Faust auf den Tisch schlagen könntest, lieber Vetter! Aber auch dieser einzige Ausweg ist dir versagt, der Skandal, der das beschließen muss. Muss? Auf den allein eine Versöhnung folgen kann. Aber dieses Schwelen, dieses giftige Glimmen, wird nie in eine befreiende Flamme ausbrechen.
Tess überlegte. – So ginge es vielleicht. – Ich will mit ihr reden. Wenn irgendetwas, kann ihr das noch helfen. Aber während sie vor dem Spiegel ihre Frisur in Ordnung brachte, hörte sie durch die offengebliebene Türe leise Schritte die Treppe heraufkommen, vor ihrer Türe hielten sie an. Sofort wusste sie, wer es war. Sie rannte zur Türe, öffnete ganz leise und zog die zusammengekauerte, halb lächelnde, halb weinende Gestalt, die sie fragend anblickte, anflehte, ganz zu sich herein.
Ein Arm legte sich um ihre Schulter, eine ganz aufgelöste Stimme hauchte an ihrem Ohr: „Tess, es ist so schrecklich unten! – Ich halte es nicht mehr aus.“
„ Komm, Li! – Komm! Komm!“ Tess hatte sie fest gefasst, halb zog sie, halb trug sie das unglückliche Häufchen zu ihrem Bett, wo sie sie niederzog, um sich neben sie setzen zu können. Das war einst die stolze Majorin, dachte sie, vor der ich in dem funkelnden Salon gebangt habe!
„ Gott sei Dank!“, stöhnte Li auf und atmete ein paar mal schnell, als müsste sie Kräfte sammeln für das Folgende. „Tess, was war das nur?“
Da es noch kalt in dem Zimmer war, zog Tess mit Aufbietung aller Kraft die Decke hinter ihnen empor und schlug sie der Bebenden um die Schultern.
Wie ein Kind kuschelte sie sich hinein. „Meine Liebe – darf ich dir alles sagen?“
„ Sag mir nur alles, Li!“
Da Li eine Hand Tessis erblickte, streichelte sie Verzeihung heischend darüber. Noch ein paar tiefe Atemzüge, dann begann sie: „Es ging natürlich um gestern Abend. – Einen einzigen Tanz habe ich mit ihm getanzt – einen langsamen Walzer.“ – sie schluchzte auf. „Das ist doch nicht zu viel? – Und mit dem Großen, Blonden – mit deinem Freund! – Ich hätte mich ‘‘stilwidrig’’ an ihn gehängt! – Aber Tess, wie soll man denn tanzen mit einem so großen Hünen? Sag du mal, ist dir etwas an meinem Tanz aufgefallen?“
Tess drückte ihr die Hand, während sie starr vor sich ins Leere sah. Wenn zwei uneins sind, soll man keinem Recht geben, dachte sie, denn sie haben bestimmt beide Unrecht. Sie sagte nichts.
Aber Li, mutig gemacht durch soviel Güte und Kameradschaft wollte ein Urteil, eine Rechtfertigung von ihr haben. „Sag Tess, du hast mich doch auch tanzen sehen, habe ich mich nicht standesgemäß verhalten?“, beugte sich nieder, um Tess ins Gesicht zu sehen.
Tess lächelte auf sie nieder. „Jetzt soll ich dir sagen: Du hast recht! Nicht? Und wenn Leo mich fragt, soll ich Leo recht geben. So ist’s doch? – Also hör, Li: Ich gebe keinem Recht und keinem Unrecht. Nicht bös sein! Nicht traurig werden, liebe Li! Aber helfen will ich dir, wenn ich dir etwas helfen kann. Doch bei Beziehungskisten, die redet man am besten Miteinander aus, da lass ich mich nicht mit Reinziehen. – Drückt dich noch irgend eine Sorge, Li?“
„ Ach ich musste ihm heute schreiben und habe es nicht getan.“
„ Dem Kirna?“
Li fuhr entsetzt herum. „Dass jemand so respektlos von ‘‘ihm’’ reden konnte!“
Tess lachte belustigt auf. „Na, wie nennst du ihn denn?“
„ Ach Gott, weißt du denn, von wem du sprichst?“
„ Na, ich denke – aber ich höre es viel lieber von dir, Li. Sag mir, wer ist es und was für eine merkwürdige Bewandtnis hat es mit ihm?“
„ Herr Kirna heißt eigentlich: von Barnek. ‘‘Kirna’’ ist nur sein Deckname. Herr von Barnek ist einer unserer fähigsten Offiziere, der Liebling des ganzen Generalstabs, ein ganz genialer und raffinierter Agent, der überall dahintersteckt, wo etwas besonders Brenzliches bewältigt werden soll.“
„ Augenblicklich ‘‘arbeitet’’ er in England?“
„ So, das weißt du schon,
Weitere Kostenlose Bücher