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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
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alle Zimmer, bis sie die Majorin in ihres Mannes Arbeitszimmer fand, wo sie einen Brief schrieb. Der Major war nicht mehr da. Einen Augenblick war die Majorin befremdet über die Unverfrorenheit der Chilenin, aber dann überlegte sie sich, dass sie das Mädchen gerade jetzt recht gut brauchen konnte. „Willst du mir einen Gefallen tun, Luschida?“
    „ Gerne, gnädige Frau!“ Sie lächelte ihr lieblichstes und geheimstes Lächeln.
    „ Sieh, dieser Brief ist mir wichtig, er soll noch diesen Nachmittag in die Hände des Empfängers gelangen. Ich schreibe eben noch die Adresse darauf, wenn du die dem Taxifahrer zeigst, weiß er gleich, wohin er zu fahren hat. Willst du ihn für mich aushändigen?“
    „ Ja! O ja!“
    „ Hier ist Geld für das Taxi! Steck es dir ein, von dem Übrigen trinkst du Schokolade und isst Torte in einer Konditorei! Ja?“
    „ Viel Danken, gnädige Frau!“
    „ Ach sag’s doch auf spanisch!“ Die Gnädige konnte schon wieder scherzen, der Brief musste sie sehr erleichtert nahen.
    „ Muchas gracias, Señora!“, lispelte Luschida und überflog soviel von dem Brief, als sie noch erhaschen konnte, ehe die Majorin ihn zusammenfaltete. Das will ich gut besorgen, schwor sie sich! Sie atmete erleichtert auf, als die ‘‘Señora’’ das Siegeln vergaß.
    Draußen nahm sie freilich ein Taxi, ließ aber erst vor einem Café halten. Dort setzte sie sich in eine Ecke, um diese Zeit waren noch keine Gäste da, und ließ sich ein Glas heißen Tee geben. An den Dämpfen des Getränks konnte sie das elfenbeinfarbene Couvert leicht öffnen, wie sie das in ‘‘Chile’’ von Mama gelernt hatte. Mancher Brief des Vaters war diesen Weg gegangen, um verändert – oder auch gar nicht – an seinen Empfänger weiterzureisen. Mama hatte ihr aber als hohe Lebensweisheit eingeschärft: „Verändere niemals einen Brief, wenn du nicht dieselbe Tinte hast, mit der der Brief geschrieben wurde!“ Also veränderte sie diesen Brief nicht, sie nahm sich aber vor, etwas Tinte von dem Vorrat der Majorin in ihren Füllhalter einzugießen, für künftige Fälle! Diesmal las sie den Brief nur. Sie las ihn zweimal – dreimal, bis sie den Sinn und die Bosheit der Schreiberin – ganz verstand. Dann ging sie auf das WC, riss den Brief in sehr kleine Stückchen und spülte sie mit Wasser hinab, wobei sie lächelnd den Vers aus der portugiesischen Fabel zitierte: Vossa merce ira, a onde o leven. (Eure Gnaden gehen dahin, wohin man sie führt.) Dann setzte sie sich wieder in eine Taxe und fuhr seelenruhig zu dem Herrn, dessen Adresse auf dem Briefumschlag stand. Vielleicht ist er gar nicht zuhause, tröstete sie sich.
    Aber der Herr war zuhause. Nur eine kurze Weile brauchte sie zu warten, dann raunte ihr ein dienendes Mädchen diskret zu: „Der Herr lässt bitten!“ Wobei die frechen Augen der Berliner Göre sie so musterten, dass jeder deutschen Dame die Schamröte ins Gesicht gestiegen wäre, aber in Chile war man darin vielleicht nicht so zartbesaitet. Herr von Barnek machte große Augen, als er sich plötzlich dieser Pracht aus heller Bronze, Korallenrot und Nachtschwarz gegenübersah, er hatte wohl mit jemand anderem gerechnet. Vielleicht war es das erste Mal in seinem Leben, dass ihm der Mund offenblieb, weil er erstaunte, vielleicht aber auch, weil sich ein ‘‘Donnerwetter’’ in ihm formte. Und gar nicht verlegen war das Kind! Zuhause wusste sie nicht, wohin sie ihre großen Rehaugen stecken sollte, irgendein Wort hat wohl nie ein Besucher von ihr gehört. Eben ging sie aber ganz zielbewusst über den schäbigen Pensionsteppich, verneigte sich anmutig und bestellte dem Herrn „eine Gruß von die Majorin“.
    „ Ah, danke sehr, gnädiges Fräulein – Donna Bianca – Contessa!“ Ebenso viele Verbeugungen bekam die Außerordentliche. „Bitte nehmen sie Platz, meine Gnädigste! – Wie darf ich sie nennen?“
    „ Señorita, sagt man bei uns in Chile.“ Sie setzte sich und kramte in ihrem Handtäschchen.
    „ Ah si, Señorita!“
    „ Habla Usted Castellano?“, fragte sie gespannt.
    „ Castellano? – Castellano? Was ist denn das für eine Sprache?“
    „ O, Español!“
    „ Gut, Señorita, sprechen sie spanisch! Ich kann’s zwar nicht sprechen, aber ich verstehe es. Und ich spreche deutsch, das verstehen Sie – Ja?“
    So ging die Unterhaltung zwischen Spanisch und Deutsch ganz fließend hin und her und es war kein Zweifel, man verstand sich durchaus. Als dies festgestellt war, rückte Herr

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