Entfesselte Energien (Band 1)
Gegenwart!“ Tess lachte wieder hell auf.
Die Majorin wurde rot und da , sie sich darüber ertappte, wurde sie bös. „Vielleicht war es auch nur Hohn und Spott von ihm!“
„ Nehmen wir es mal so an!“, erwiderte Tess fröhlich.
„ So hatte meine Freundin doch recht, er hat dich zum Besten halten wollen“, zischte die Majorin, sich ihrem Gift überlassend.
„ Ah, darum lauerte er mir heute Morgen in Kummersdorf noch einmal auf?“
„ Wie??“ Die Majorin zuckte heftig zusammen.
„ Dabei gab er mir diese Karte.“ Sie reichte sie gleichgültig der Majorin herüber.
Die nahm sie bebend an – las, atmete keuchend – bewegte ganz schnell die Lippen, doch ein Wort brachte sie nicht mehr heraus.
„ Damit wollte er mir wohl sagen, dass ich mich keinen Illusionen hingeben sollte?“, warf Tess wie ganz nebenbei hin.
Die Majorin ließ die Karte fallen, starrte Tess an, ratlos entsetzt. Von einem plötzlichen Gedanken gejagt stob sie aus dem Zimmer.
Tess fasste sich an die Schläfen wie einer, der aus einem wüsten Traum erwacht, wie ein Wanderer, dem ein Orkan um die Ohren gebraust ist. Und das nennt man ein ‘‘Weib’’? Ein echtes Frauenzimmer? Wie ich es nie verstanden habe und nie verstehen werde! – Sie dachte nach – Herr Gott, das hat vielleicht böse Folgen? Muss man vor ihr warnen? Franz, dass er nicht mehr hierherkommt! Den Major? – Aber er kennt sie. – Und Kirna? Dürfte sie noch besser kennen. Doch Riemenschneider! Was würde sie nicht darum geben, ihr Gift dahin spritzen zu können, wo es am furchtbarsten wirken würde! Tess dachte nach. – Ich werde heute zu Lore gehen. Ein Märchen von Andersen fiel ihr ein: ‘‘König Gorm, König Gorm, hüte deine Krone!’’ – Aber Misstrauen in diese gute Seele streuen!? Wird das je gelingen? Ein misstrauischer Apollo! – Und wenn es gelingen könnte, darf man das tun? – Ich muss es ablenken auf mich, ich muss ihr in den Weg laufen. Sie reizen! – Tess, du wirst bös! Aber kann man gut bleiben, wenn man Laistrygonen abwehren muss? Dann hätte Busch recht, wenn er sagt: ‘‘Das Gute – dieser Satz steht fest – ist stets das Böse, das man lässt’’.
Nein, nicht Tatenlos zusehen! Handeln! Jetzt damit anfangen!
Tess rannte zu ihrer Kommode, holte einiges Geld. Visitenkarten und Schreibzeug. Sie packte alles in ihre Handtasche aus schwarzem Leder und zog sich an. Als sie eben zur Türe gehen wollte, klopfte es an und ganz leise öffnete sich die Türe. – Luschida wandte sich wie ein Dieb ins Zimmer. Tess wollte sie laut und freudig begrüßen, doch Luschida legte geheimnisvoll den Zeigefinger an die Lippen. Tess zog sie vollends herein. Seltsam, dass sie an sie gar nicht gedacht hatte, die doch die Nächste dazu war, mit ihr in dieser Not zusammenzustehen. Ganz herzlich umarmten sich die beiden.
„ Ich – alles gehört!“, raunte die Chilenin, sich diebisch freuend.
„ Du hast gelauscht?“ Tess hielt sie von sich ab und forschte in ihren Zügen.
Sie nickte lausbübisch und wurde schön, wie jeder, der sich auf sein eigentliches Gebiet begibt; ein bisschen verlegen, ein bisschen lauernd – „Mir ganz peinlich dabei“. Noch einmal kuschelte sich die dunkle Lockenpracht an die blonde, dann wich das chilenische Mädchen zurück und wurde ernst. „Sie sein bös! Sehr bös!“ Sie drohte bedeutsam und nachdenklich mit dem Zeigefinger.
„ Was meinst du, was sie jetzt tut, Luschida?“
Luschida horchte. Vielleicht lauschte sie auch in sich hinein. Wunderbar spielten die funkelnden, wachsamen Li eder und klugen Gedanken. Wenn sie die Sprache erst vollständig beherrscht, die Deutschen kennengelernt hat, kann sie eine starke Freundin werden oder gefährliche Gegenspielerin!
„ Ich gehen jetzt nach unten!“ Das war der Schluss, zu dem sie gekommen war, der ihr unverrückbar feststand.
Tess wehrte vergeblich, sie sollte sich keiner Gefahr aussetzen.
„ Ha!“, lachte sie mit wundervollen Zähnen. „Ich nicht in Gefahr!“ Sie verneinte nach südamerikanischer Sitte mit hin- und hergehendem Zeigefinger. Wieder dicht heranrückend raunte sie: „Ich gute Freundin von zornige Frau – nur tue so – soll mir sagen, was sie machen. Dann ich helfen dir.“ Ein inniges Nicken, ein Händedruck und draußen war sie.
Tess sah zu ihrem Entsetzen, dass die Mittagspause fast verstrichen war, sie musste sich einen Wagen nehmen, um noch rechtzeitig zum Dienst zu kommen.
Luschida ging unten ganz ungeniert durch
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