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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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backen, wenn ihr wollt«, bot Jess an. Anne nickte glücklich. Der Gedanke, dass der abgehalfterte Jess ein Plätzchenmeister sein sollte, war komisch und ließ mich schmunzeln.
    Aus dem hintersten Augenwinkel sah ich, dass Nell ihr Brötchen endlich wieder losgelassen und es am Rand ihres Tellers abgelegt hatte.
    »Die Dekoration ist auch fast fertig«, sagte sie und klebte sich ein fröhliches Lächeln ins Gesicht. »Und wir werdenMistelzweige aufhängen, also seid auf der Hut!«
    Überall am Tisch wurde gelächelt und gekichert, auch ich grinste, während ich ganz, ganz behutsam Nells Brötchen vom Teller schubste.
    Sie bemerkte die leichte Bewegung und ihr Kopf ruckte herum, als sie das Brötchen anstarrte. Lorenz, der mir gegenübersaß, bat um das Salz. Ohne mich ablenken zu lassen, reichte ich es ihm. Ich schaffte es sogar, ihn zu fragen, ob es hier üblich war, Geschenke auszutauschen.
    »Wir machen Julklapp«, erklärte er mir mit seinem italienischen Akzent. Lorenz vereinte in sich Generationen von gut aussehenden Italienern und ich wunderte mich, wieso ich ihn nicht attraktiver fand. »Wir lassen Zettel mit unseren Namen in einem Hut herumgehen und jeder zieht einen. Und dann bekommt derjenige ein Geschenk. Es wird aber nicht verraten, wer wen gezogen hat.«
    Ich fragte mich, wie weit Nell wohl gehen würde, um Reyns Namen zu bekommen oder sich von ihm ziehen zu lassen oder beides.
    Unauffällig schaute ich auf und musste feststellen, dass Nell ihr Brötchen in kleine Stücke rupfte, sie in ihre Suppe fallen ließ und dort mit dem Löffel flachquetschte. Ich hätte beinahe laut aufgelacht, aber bei ihrem angespannten, fast fanatischen Gesichtsausdruck verging mir das Lachen. Hatte es jemand mitbekommen? Sie sah aus, als stünde sie kurz vor dem Durchdrehen. Reyn beobachtete sie aus dem Augenwinkel, ließ sich aber nichts anmerken.
    Alle redeten über ihre Feiertagspläne und die allgemeine Stimmung war gelöst, glücklich und gemütlich. Ich sah mich um und alle - außer Nell und Reyn - wirkten zufrieden. Da hatte ich wieder eines meiner Aha-Erlebnisse: Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zuletzt eine Gruppe Menschen erlebt hatte, die im Großen und Ganzen zufrieden gewesen waren. Ganz sicher nicht meine Freunde, die mir im Nachhinein immer mehr wie Soziopathen vorkamen. Ich war sehr lange mit reichen und mächtigen Leuten zusammen gewesen, die keine Grenzen kannten, aber waren sie zufrieden gewesen? Sie hatten triumphiert, das ja. Sich über ihre Siege gefreut. Aber Zufriedenheit war eine ganz neue Empfindung für mich und ich musste feststellen, dass mir dieser Zustand gefiel.
    Die Menschen hier am Tisch veränderten nicht den Lauf der Welt oder leiteten milliardenschwere Unternehmen oder eroberten Länder. Sie trieben nichts auf die Spitze und darüber hinweg. Sie unterjochten keine anderen Leute, arbeiteten nicht daran, mehr Kontrolle über etwas zu bekommen, außer über sich selbst, sie strebten nicht nach Reichtum, wollten nicht zusammenraffen, was sie kriegen konnten. Jeder von ihnen, das wusste ich inzwischen, hatte Schreckliches erlebt, aber auch seine Momente des Triumphes gehabt. Jeder von ihnen hatte es nötig, eine kurze oder längere Zeit hier zu sein.
    Und doch war hier eine tiefe Zufriedenheit zu spüren. Sogar Jess, der von der Zeit und seinen Erfahrungen gezeichnet war, wirkte zufrieden. Niemand hielt sich für perfekt - alle arbeiteten an ihren Fähigkeiten, Stärken und Schwächen. Alle waren gewissermaßen noch Baustellen. Sie waren nur hier von Bedeutung und abgesehen davon kannte sie kaum jemand. Wir hatten alle ziemlich bedeutungslose Jobs, bei denen man nicht reich werden konnte, und putzten, schleppten und schufteten jeden Tag wie Sklaven.
    Wieso waren wir so glücklich? Es war ja nicht einmal so, dass hier jeder den ultimativen Seelenverwandten gefunden hätte. Asher und River waren ein Paar, aber soweit ich wusste, waren sie die Einzigen.
    Was ich fühlte, war Staunen. Noch mehr als das: Ich spürte ein plötzliches Erkennen, als wäre mir auf einmal ein Lichtaufgegangen. Vielleicht hatte mein Mondstein mir geholfen, denn endlich wusste ich, was ich wollte. Es kam mir plötzlich ganz logisch vor, als wäre es schon die ganze Zeit da gewesen, schon vor meiner Ankunft.
    Mir fiel auf, dass River mich aufmerksam beobachtete. Sie hob ein wenig die Brauen und warf einen Blick auf Nells Brötchen, das jetzt

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