Entflammte Herzen
Wohnzimmer gesessen, wenn er nicht so lange in der Stadt geblieben wäre, und wäre nicht in diesen Bach gestürzt und krank geworden, um sie alle dann von einem Tag auf den anderen zu verlassen, bevor sie auch nur auf den unermesslich großen Verlust gefasst gewesen waren.
An ihrem Grab gestand Kade seiner Mutter noch mehr: dass er es aus tiefster Seele bedauerte, kein besserer Sohn gewesen zu sein.
Als er nun mithalf, John Lewis' Sarg an dicken Stricken in das Grab hinabzulassen, zog sich seine Kehle so schmerzhaft eng zusammen, dass er kaum noch atmen konnte. Bei einem verstohlenen Blick auf seine Brüder sah er grimmige Gefasstheit in ihren Gesichtern. Vermutlich kämpften sie mit ähnlichen Erinnerungen wie er. Er kannte Jeb und Rafe so gut, wie ein Mensch einen anderen kennen konnte, aber die drei Brüder hatten nie viel über Georgias Verlust gesprochen. Insgeheim war Kade sich jedoch immer sicher gewesen, dass sie ihm im Stillen ebenfalls die Schuld an ihrem Tod gaben, jedenfalls zu einem Teil.
Der Sarg verschwand in dem tiefen dunklen Loch, die Stricke wurden herausgezogen, aufgerollt und anderen Trauernden übergeben. Becky trat vor und blieb am Rand von John Lewis' letzter Ruhestätte stehen, um eine Hand voll blauer Krokusse hineinzuwerfen, die sie aus dem harten, schmutzigen Schnee gerettet hatte, der hier und da noch lag. Sie trug ein gestärktes schwarzes Kleid und einen Hut mit einem Schleier, und sie hielt sich sehr gerade.
»Ich weiß, du hast mir versprochen, in der Nähe zu bleiben«, begann sie so klar und deutlich, als wären John und sie ganz unter sich, als könnte er jedes ihrer Worte hören. »Aber es wäre selbstsüchtig von mir, dich hier zu behalten, und darum werde ich es auch nicht tun. Du kannst schon mal vorausgehen, John. Eines Tages komme ich nach, doch bis dahin werde ich hier schon fertig, also mach dir bitte keine Sorgen, hörst du?«
Emmeline, die neben Rafe stand, schluchzte leise auf, und er legte einen Arm um ihre Taille und zog sie tröstend an sich. Sie drehte sich um, klammerte sich an ihren Mann und weinte leise an seiner Schulter.
Becky erhob den Blick vom Grab, schlug ihren Schleier zurück und betrachtete die anderen Trauernden mit stiller Zuneigung. »Danke«, fuhr sie fort. »Ich danke euch allen, dass ihr gekommen seid. Drüben im Hotel haben wir einen kleinen Imbiss vorbereitet, und ihr seid alle herzlich eingeladen, euch uns anzuschließen.« Sie hauchte einen Kuss auf ihre Hand, die in einem eleganten Handschuh steckte, und tat, als werfe sie ihn John Lewis zu. Ihre Lippen bewegten sich, aber es kam kein Laut heraus, und dann wandte sie sich ab und ging, eine einsame, sich krampfhaft gerade haltende Gestalt.
Emmeline schluchzte sogar noch heftiger, und Rafe führte sie behutsam zum Hotel zurück.
»Verdammt traurige Geschichte«, brummte Angus, als er ihnen nachsah. »Ich sage euch, es gibt Dinge im Leben, die sind schlicht und einfach unerträglich.«
Jeb legte seinem Vater im Vorbeigehen eine Hand auf die Schulter, erwiderte aber nichts. Mandy blickte auf zu Kade, und ihre Augen waren ganz ungewöhnlich dunkel vor Besorgnis.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie ihn leise.
Sie wurde Kade beinahe zum Verhängnis, diese Zärtlichkeit in ihrer Stimme. Fast hätte er Mandy in die Arme gezogen und sein Gesicht in ihrem duftenden weichen Haar vergraben, aber sie befanden sich an einem zu öffentlichen Ort, und seine Gefühle waren noch zu komplex und neu. Und deshalb nickte er stattdessen nur. »Geh schon mal ins Hotel voraus«, drängte er ein wenig schroff. »Ich komme nach.«
»Ich möchte dich nicht allein lassen.«
Er war versucht, ihr über das Haar zu streichen, das sie zu einer sehr damenhaften Frisur aufgesteckt hatte und aus dem der Wind bereits die ersten Strähnen löste. »Ich muss mich noch verabschieden«, erklärte er.
Sie zögerte, nickte dann aber verständnisvoll und ging den anderen hinterher, die schon ein ganzes Stück vorausgegangen waren. Kade sah ihr nach, bis sie aus seiner Sicht verschwand, und drehte sich dann wieder zum Grab um.
Der alte Billy und zwei arbeitslose Cowboys schaufelten es soeben zu, und das Poltern der auf Johns Sarg herabfallenden Erde war das traurigste Geräusch, das Kade je vernommen hatte.
Ihm fehlten die Worte, sein Kopf war im Augenblick wie leer gefegt. Sein Herz hingegen war so voll und schwer, dass er schon fast befürchtete, seine Knie würden unter der Last seines Gewichtes nachgeben. Den Hut
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