Entflammte Nacht
aus mit Nieten besetztem Leder, die an einer Donnerbüchse befestigt waren. Die Waffe zeigte in ihre Richtung, doch Herrn Lange-Wilsdorfs Hand war alles andere als ruhig.
Da geschah es. Noch bevor irgendjemand Gelegenheit hatte zu reagieren, stürzte sich Poche in einem plötzlichen Anfall ungerechtfertigten Heldenmuts auf Channing.
Ohne stehen zu bleiben öffnete der Werwolf die mächtigen Kiefer und verschlang den kleinen Hund mit einem einzigen Happen.
»Nein!«, kreischte der Wissenschaftler, wechselte sofort das Ziel und feuerte die Dudelsack-Donnerbüchse auf den Werwolf statt auf Alexia ab. Sie gab ein lautes, spritzendes Ploppen von sich, und eine faustgroße Kugel aus einer gallertartigen roten, organischen Masse schoss daraus hervor und traf den Werwolf mit einem lauten Platschen.
Worum immer es sich auch handelte, war offensichtlich nicht dazu bestimmt, Werwölfen zu schaden, denn Channing schüttelte es einfach ab, als wäre er ein nasser Hund, und warf dem kleinen Mann einen angewiderten Blick zu.
Im selben Augenblick feuerte Floote und traf Lange-Wilsdorf in die Schulter, dann steckte er die Pistolen in die Taschen, da er wieder einmal keine Munition mehr hatte. Alexia würde Floote eine bessere, modernere Waffe besorgen müssen, einen Revolver vielleicht.
Lange-Wilsdorf schrie vor Schmerz auf, fasste sich an die Schulter und rutschte an der Wand zu Boden.
Energisch marschierte Madame Lefoux auf ihn zu und riss ihm die eigenartige Waffe aus der erschlafften Hand. »Wissen Sie was, Sir? Ihre Ideen mögen zwar vernünftig sein, aber Ihre Forschungsmethoden und Ihre Moral sind äußerst fragwürdig!« Mit diesen Worten schlug sie ihm den Knauf seiner eigenen Dudelsack-Büchse gegen die Schläfe, und er kippte wie ein Sack zur Seite.
»Also wirklich, Channing!«, protestierte Alexia. »Mussten Sie den Hund dieses Mannes fressen? Ich bin mir sicher, Sie bekommen davon schreckliche Verdauungsbeschwerden!«
Der Werwolf schenkte ihr und allen anderen keine Beachtung, sondern schritt weiter unverdrossen auf die erbitterte Schlacht in dem engen Gang zu. Es sah nicht so aus, als würde sich der Kampf bald entscheiden. Zwei gegen einen – das war ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis, wenn zwei bestens ausgebildete Kriegermönche jeweils einem Vampir gegenüberstanden.
Alexia rannte Channing hinterher, um die Sache ein wenig zu beschleunigen.
Während der Werwolf ihnen den Weg frei räumte, indem er sich einfach durch die Kämpfenden hindurchfraß, berührte Alexia mit bloßer Hand jeden, den sie zu fassen bekam. Die Vampire wurden durch ihre Berührung zu Sterblichen, und die Templer wichen entsetzt davor zurück, weil sie um ihr Seelenheil fürchteten.
Die Vampire ließen ihre Gegner, die sie eben noch am ausgestreckten Arm hielten, fallen, weil es ihnen unvermittelt an ihrer übernatürlichen Stärke fehlte, oder sie lutschten harmlos am Hals eines Feindes, weil ihre Fangzähne auf einmal verschwunden waren. Die Templer nützten schnell jeden Vorteil, der sich ihnen bot, doch dann wurden sie von einem neuen und ebenso gefürchteten Feind von den hilflosen Vampiren abgelenkt – einem Werwolf.
Sie waren auch erschrocken darüber, dass ihr Opfer, eine angeblich wehrlose Engländerin von düsterem Wesen und geringer Intelligenz, eifrig ihre schwarzmagische Kunst ausübte, indem sie sie berührte. Seit Generationen war ihnen eingebläut worden, Außernatürliche ebenso zu meiden wie den Teufel persönlich, da sie eine Gefahr für ihre unsterbliche Seele waren. Sie zuckten zusammen und wichen taumelnd vor ihr zurück.
Hinter Alexia kam Monsieur Trouve, der einen Großteil des Parasol-Waffenarsenals bereits eingesetzt hatte und sich nun darauf verlegte, das schwere Accessoire aus Bronze wie einen Prügel zu schwingen und alles niederzuknüppeln, was ihm in den Weg geriet. Alexia konnte seine Vorgehensweise gut nachvollziehen; das war auch ihre bevorzugte Methode, den Sonnenschirm einzusetzen. Nach ihm folgte Madame Lefoux, die Dudelsack-Donnerbüchse in der einen, die Krawattennadel in der anderen Hand, und hieb und stach munter drauflos. Hinter ihr bildete Floote in würdevoller Eleganz das Schlusslicht. Er benutzte die Aktentasche als eine Art Schild und stach die Gegner mit Madame Lefoux’ anderer Krawattennadel, die er sich extra zu diesem Zweck ausgeborgt hatte.
So arbeiteten sich Alexia und ihre kleine Schar edler Retter, eingehüllt in Tumult und Chaos, durch die Schlacht hindurch auf die
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