Entflammte Nacht
bereits wieder nach ihren treuen Krawattennadeln, und Monsieur Trouve hob die Dudelsack-Büchse, die er gerade mit wissenschaftlichem Interesse begutachtet hatte. Nur Major Channing blieb ungerührt.
Lord Conall Maccon, der Earl of Woolsey, trat aus den Schatten des Brückenhauses.
»Du! Du bist verdammt spät dran!«, betonte seine abtrünnige Ehefrau mit allen Anzeichen extremster Verärgerung.
16
Auf einer Brücke über dem Arno und andere unzutreffend romantische Bezeichnungen
S pät dran? Natürlich bin ich spät dran. Ist dir klar, Weib, dass ich überall in ganz Italien nach dir gesucht hab? Du warst nich’ grad leicht zu finden.«
»Nun, natürlich konntest du mich mit dieser Taktik nicht finden. Schließlich war ich nicht überall in ganz Italien. Ich saß die ganze Zeit über hier in Florenz fest. Dank dir war ich sogar in grauenhaften römischen Katakomben gefangen!«
»Dank mir? Wie könnte das denn nur irgendwie meine Schuld sein, Weib?« Drohend baute sich Lord Maccon vor seiner Frau auf. Sie hatten beide völlig vergessen, dass sie Zuhörer hatten, die mit gebanntem Interesse einen Halbkreis um sie bildeten. Ihre Stimmen trugen weit hinaus aufs Wasser und durch die verlassenen Straßen von Florenz – sicherlich zur Unterhaltung vieler.
»Du hast mich verstoßen!« Als sie das aussprach, überkam Alexia erneut dieses herrliche Gefühl tiefster Erleichterung, allerdings diesmal zum Glück nicht in Verbindung mit dem Bedürfnis, zusammenzubrechen und zu weinen. Conall war ihr nachgereist! Doch natürlich war sie immer noch wütend auf ihn.
»Bitte, Madam, senken Sie die Stimme!«, warf Floote an dieser Stelle heldenmutig ein. »Wir sind noch nicht außer Gefahr.«
»Du hast mich weggeschickt!«, zischte Alexia leise und erbittert.
»Nein, hab ich nich’ – das heißt, nich’ wirklich. So hatte ich das nich’ gemeint. Du hättest wissen müssen, dass ich das nich’ so gemeint hab. Dir hätte klar sein müssen, dass ich ein wenig Zeit brauchte, um mich wieder davon zu erholen, ein Idiot zu sein.«
»Ach, wirklich? Woher sollte ich denn wissen, dass Idiotie nur ein vorübergehender Zustand ist, ganz besonders in deinem Fall? Abgesehen davon haben Vampire versucht, mich umzubringen!«
»Und haben die nich’ hier genauso versucht, dich umzubringen? Gut, dass ich noch nüchtern genug war, Channing hinter dir herzuschicken.«
»Also das habe ich gern, du … Warte, was hast du gesagt? Nüchtern? Soll das heißen, während ich schwanger quer durch Europa fliehen musste, von Marienkäfern attackiert, in einem Ornithoptern fliegen musste und im Matsch gelandet bin und Kaffee trinken musste, warst du betrunken?«
»Ich war deprimiert.«
»Du warst deprimiert? Du?« Alexia versagten tatsächlich die Worte, so schäumte sie vor Wut. Sie starrte zu ihrem Mann hoch, was immer eine eigentümliche Erfahrung war, da sie es als hoch gewachsene Frau gewöhnt war, auf die Leute hinabzublicken. Doch Lord Maccon mochte so bedrohlich vor ihr aufragen, wie er wollte – sie war nicht beeindruckt.
Mit zwei Fingern piekste sie ihm gegen die Brust, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Du bist ein gefühlloser«, pieks, »eifersüchtiger«, pieks, »misstrauischer«, pieks, »rüpelhafter«, pieks, »Trottel!«
Jeder einzelne Pieks machte ihn sterblich, doch Lord Maccon schien das nicht das Geringste auszumachen.
Stattdessen packte er die Hand, mit deren Finger sie ihn piekste, und zog sie an seine Lippen. »Das hast du sehr gut ausgedrückt, mein Liebling.«
»Oh, versuch bloß nicht, dich bei mir einzuschleimen, mein werter Herr Gemahl! Ich bin noch nicht einmal annähernd mit dir fertig.« Sie piekste ihn mit den Fingern der anderen Hand.
Lord Maccon grinste breit, vermutlich weil sie sich verplappert und ihn »mein werter Herr Gemahl« genannt hatte.
»Du hast mich rausgeworfen, ohne mir zuzuhören. – Hör sofort auf, mich zu küssen! – Und dass das Kind von dir sein könnte, hast du nicht mal in Betracht gezogen. – Hör auf damit! – O nein, du musstest ja gleich vorschnell die allerschlimmsten Vermutung treffen. Du kennst mich. Ich könnte dich niemals so betrügen. Nur weil die Geschichte besagt, dass es nicht möglich ist, bedeutet das nicht, dass es keine Ausnahmen geben kann. Es gibt immer Ausnahmen. Sieh dir nur mal Lord Akeldama an, er ist praktisch eine Ausnahme für alles. Na, ich musste nur ein wenig in den Aufzeichnungen der Templer nachforschen, um es
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