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Entflammte Nacht

Entflammte Nacht

Titel: Entflammte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Carriger
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»Wäscheleinen« eher etwas wie Schienenkabel in luftiger Höhe waren. Auf ihnen kroch eine Reihe von Kabinen dahin, die in Form und Größe den Fahrgastkabinen von Postkutschen ähnelten. Sie hatten große Räder, über die Raupenketten gezogen waren, und bewegten sich auf rhythmische, schwankende, käferartige Weise voran, wobei dichte weiße Dampfwolken unter ihnen hervorquollen. Von jeder der Kabinen hingen an langen Stahlseilen Metallnetze mit Holzstämmen herab, sodass sie wie Spinnen mit Eisäcken oder Beiwagen mit einem Trapez wirkten.
    »Du liebe Güte!« Alexia war beeindruckt. »Fahren die jeweils nur in eine Richtung?«
    »Nun, zumeist fahren sie mit Fracht beladen talwärts, aber sie sind so konzipiert, dass sie auch nach oben fahren können. Anders als bei Zügen sind bei diesen Schienenkabeln keine Spitzkehren nötig. Die Wagen können einfach übereinander hinwegklettern, natürlich nur, solange keine Netze unter ihnen hängen. Sehen Sie, an jeder Seite des Kabinendachs verläuft eine Schiene.«
    Diese Erfindung imponierte Alexia genug, um sie vorübergehend von ihrer gegenwärtigen Zwangslage abzulenken. So etwas hatte sie noch nie zuvor gesehen oder auch nur davon gehört – eine Eisenbahn in der Luft!
    In regelmäßigen Abständen sprang Floote wie ein Schachtelteufel auf, um über das Dach der Kutsche nach hinten zu spähen, und mit der Zeit wurde Alexia so vertraut mit seinen Bewegungsabläufen, dass es ihr auffiel, als er sich plötzlich anspannte und länger als gewöhnlich stehen blieb.
    Madame Lefoux tat es ihm gleich, um ebenfalls hochzufahren und sich dann – sehr zur Verärgerung des Kutschers – neben ihm auf das Kutschendach zu stützen. Aus Angst, die Droschke noch mehr aus dem Gleichgewicht zu bringen, blieb Alexia sitzen, die Sicht von Hosenbeinen verstellt.
    Hinter ihnen hörte sie schwaches Rufen und schloss daraus, dass sie von Drohnen verfolgt wurden. In der nächsten Haarnadelkurve erblickte auch sie den Feind: Aus dem rechten Kutschenfenster konnte sie einen mit grimmig wirkenden jungen Männern beladenen Vierspänner sehen, der ihnen dicht auf den Fersen war. Auf dem Dach des Wagens war eine Art Schusswaffe montiert.
    Na großartig, dachte Alexia. Das ist eine verflixt große Kanone!
    Mit leisem Knall feuerte Floote einen der winzigen Derringer ab, gefolgt von einem scharfen Zischen, als Madame Lefoux es ihm mit ihren Pfeilen gleichtat.
    Floote kam wieder nach unten, um die Waffen nachzuladen. »Madam, ich muss Ihnen bedauerlicherweise mitteilen, dass sie eine Nordenfelt haben.«
    »Eine was?«
    Madame Lefoux setzte sich ebenfalls, um nachzuladen, während Floote wieder aufstand und erneut feuerte.
    »Ich hege keinen Zweifel daran, dass wir sie bald in Aktion erleben werden.«
    Sie erreichten die Schneegrenze.
    Eine ganze Salve beinahe lächerlich großer Geschosse zischte an der Kutsche vorbei und hämmerte in das Holz eines unschuldigen Baumes. Eine Kanone, die mehrere Kugeln auf einmal abfeuern konnte, man stelle sich das nur vor!
    Hastig tauchte Floote wieder nach unten ab.
    »Darf ich vorstellen, Madam: die Nordenfelt.«
    Das Pferd wieherte erschrocken auf, der Kutscher fluchte, und sie hielten abrupt an.
    Madame Lefoux versuchte nicht einmal, mit dem Kutscher über die Weiterfahrt zu diskutieren, sondern sprang, gefolgt von Floote und Alexia, aus der Kutsche. Floote schnappte sich Alexias Aktentasche, Alexia sich ihren Sonnenschirm. Ohne sich lange umzublicken, ob sie verfolgt wurden, stürmte Alexia, sich auf den Parasol stützend, die Böschung hinauf und stapfte durch den Schnee auf die Kabelbahn zu.
    Ein weiterer Geschosshagel ließ den Schnee dicht hinter ihr aufwirbeln, und Alexia stieß ein äußerst würdeloses, erschrockenes Quietschen aus. Was hätte Conall in dieser Situation getan? Dieses Herumgeballere war nicht gerade ihr Fall. Ihr Gatte war ausgebildeter Soldat, sie nicht. Dennoch erholte sie sich schnell genug wieder von dem Schrecken, um zu brüllen: »Vielleicht sollten wir versuchen, diesen Stützpfeiler zu erreichen!«
    »Einverstanden!«, rief Madame Lefoux.
    Die nächste Feuersalve kam nicht annähernd so nahe.
    Bald waren sie zu hoch, um von der Straße unter ihnen noch gesehen zu werden, und der Vierspänner war noch weniger als das Hansom Cab für unwegsames Gelände geeignet. Es gab eine Menge Geschrei, vermutlich die Drohnen und der Droschkenkutscher, die sich gegenseitig anbrüllten, aber Alexia wusste, dass es nur eine Frage der Zeit

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