Entflammte Nacht
Manchmal hatte Alexia das Gefühl, dass er es aus Starrsinn tat, dann wieder kam es ihr so vor, als wollte er sie vor irgendetwas schützen. Obwohl sie sich mit Vampirdrohnen auf den Fersen kaum vorstellen konnte, wovor sie sonst noch Schutz brauchen könnte.
Madame Lefoux schob den Ärmel ihres Jacketts zurück und überprüfte den kleinen Pfeilschussapparat an ihrem Handgelenk. »Ich habe nur drei Schüsse. Alexia?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe alle meine Pfeile im Uhrenladen aufgebraucht, schon vergessen? Ich habe im Schirm nichts anderes mehr als den lapis-lunearis-Nebel für Werwölfe und den Magnetfeldstörsender.«
Frustriert sog Madame Lefoux die Luft durch die Zähne. »Ich wusste, ich hätte ihn mit einer größeren Tragekapazität ausstatten sollen.«
»Mehr war wohl nicht mehr möglich«, tröstete Alexia sie. »Das verflixte Ding wiegt ohnehin schon doppelt so viel wie jeder gewöhnliche Sonnenschirm.«
Floote stand auf und warf einen prüfenden Blick hinter sie.
»Werden sie uns einholen, bevor wir die Grenze überqueren?« Alexia hatte keine genaue Vorstellung, wie weit es von Nizza bis zur italienischen Grenze war.
Madame Lefoux hingegen schon. »Höchstwahrscheinlich.«
Sie ratterten durch ein kleines Fischerdorf, hinter dem eine besser gepflasterte Straße begann, sodass sie noch mal an Geschwindigkeit zulegen konnten.
»Wir müssen versuchen, sie in Monaco abzuhängen.« Madame Lefoux stand auf, lehnte sich übers Dach und verwickelte den Kutscher erneut in eine ausgedehnte Diskussion. Schnellfeuerhaftes Französisch zerstob im Wind.
Alexia, die erriet, worum es dabei im Wesentlichen ging, löste ihre mit Rubinen verzierte Goldbrosche vom Kragen ihres Reisekleids und drückte sie der Erfinderin in die Hand. »Mal sehen, ob ihn das nicht ermuntert.«
Die Brosche verschwand über das Dach der Kutsche hinweg, und die Peitsche knallte. Das Pferd schoss vorwärts. Bestechung funktionierte anscheinend in jeder Sprache.
Sie hielten eine gute Geschwindigkeit und einen gleich bleibenden Abstand zu ihren Verfolgern aufrecht, bis sie Monaco erreichten, einen Urlaubsort von bescheidener Größe und etwas fragwürdigem Ruf.
Der Kutscher bog von der Hauptstraße ab und versuchte die Verfolger durch höchst beeindruckende Manöver abzuschütteln, indem er das Gefährt durch ein paar wahrhaft winzige Gässchen rattern ließ. Sie jagten geradewegs durch eine quer über die Straße gespannte Wäscheleine, wodurch sie sich neben einer Hose und einer Hemdbrust auch eine Tirade französischer Flüche einhandelten. In einem höher gelegenen, dem Meer abgewandten Ortsteil fuhren sie zurück auf die Straße, die auf die Alpen zuführte. Mit einem verächtlichen Schnauben schüttelte das Pferd die scharlachrote Damenunterhose ab, die sich ihm um die Ohren gewickelt hatte.
»Kann man um diese Jahreszeit überhaupt die Alpen überqueren?«, fragte Alexia zweifelnd. Es war Winter, und obwohl die italienischen Alpen nicht den Ruf ihrer größeren, weiter im Landesinneren gelegenen Brüder hatten, waren sie dennoch prächtige Berge mit schneebedeckten Gipfeln.
»Ich denke schon. Dessen ungeachtet ist es besser, nicht auf der Hauptstraße zu bleiben.«
Während es allmählich immer höher ging, wurde die Straße schmaler, und das Pferd, dessen Flanken sich vor Anstrengung hoben und senkten, verfiel in Schritt. Und das war auch gut so, denn bald schon säumten den Pfad ein bewaldeter Hang auf der einen Seite und ein heimtückischer Abhang auf der anderen. Sie ratterten durch eine Herde brauner Ziegen samt Glöckchen und einer wütenden Ziegenhirtin
Wie es schien, hatten sie ihre Verfolger abgehängt.
Aus dem linken Seitenfenster der Kutsche erblickte Alexia eine eigentümlich aussehende Vorrichtung, die über die Baumwipfel ragte. Sie zupfte Madame Lefoux am Ärmel. »Was ist das, Genevieve?«
Die Erfinderin wandte den Kopf. »Ah, das Luftschienensystem. Ich hatte gehofft, dass es in Betrieb ist.«
»Und?«
»Das ist ein neuartiges Transportmittel für Güter und Passagiere. Ich war ein wenig an seiner Entstehung beteiligt; die Bedienmechanismen wurden von mir entwickelt. Gleich dürften wir es ganz zu sehen bekommen.«
Sie umrundeten eine Biegung des Weges, der danach noch steiler anstieg, dann ragte das Ungetüm in all seiner Pracht vor ihnen auf. Für Alexia sah es aus wie zwei massive Wäscheleinen, die zwischen Brückenpfeilern gespannt waren. Allerdings wurde schnell deutlich, dass die
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