Entflammte Nacht
exzentrischen Deutschen aus dem Haus geworfen, taten sie – zu Alexias eigenem Erstaunen –, was jeder andere unter alltäglicheren Umständen getan hätte: Sie nahmen sich eine Mietkutsche. Wie sich herausstellte, glichen die zu mietenden Transportmittel in Frankreich denen von England, nur dass sie in wesentlich begrenzterer Anzahl zur Verfügung standen.
Madame Lefoux führte eine kurze, aber heftige Diskussion mit dem Kutscher eines Hansom Cabs, nach der eine gehörige Menge Geld den Besitzer wechselte. Dann nahm die Erfinderin neben Floote und Alexia Platz, und die Droschke schoss mit unglaublicher Geschwindigkeit los und durch die Straßen von Nizza, die mit Kurgästen und Sommerfrischlern bevölkert waren, auf die Küste zu. Alexia nahm an, dass die Kutsche ein vernünftiges Transportmittel war, wenn man sich auf der Flucht befand, doch für drei Passagiere war sie ziemlich beengt.
Der Kutscher, der hoch über ihnen hinter der Fahrgastkabine saß, ermunterte das Pferd mit knallender Peitsche zu einem schnellen Trab, und das Gefährt jagte in halsbrecherischer Geschwindigkeit und mit einem Höllenlärm durch die verwinkelten Gassen.
Innerhalb kürzester Zeit hatten sie Nizza hinter sich gelassen und befanden sich auf der Landstraße, die sich entlang den Klippen und Stränden der Riviera wand. Normalerweise hätte Alexia die Fahrt genossen. Es war ein klarer Wintertag, und das Mittelmeer lag türkis funkelnd zu ihrer Rechten. Nur wenig Verkehr war unterwegs, und auf lang gezogenen Kurven und geraden Strecken gab der Kutscher seinem Pferd die Zügel frei, und es verfiel in einen raumgreifenden Galopp.
»Er sagte, dass er uns bis zur Grenze bringt«, rief Madame Lefoux in den vorbeirauschenden Wind. »Hat mich eine Stange Geld gekostet, aber er ist wirklich schnell.«
»Das will ich meinen! Was denken Sie, werden wir Italien noch vor Einbruch der Nacht erreichen?« Alexia schob ihre Aktentasche hinter ihre Beine und Röcke, legte sich den Sonnenschirm über den Schoß und versuchte, es sich, eingequetscht zwischen Madame Lefoux und Floote, etwas bequemer auf der Bank zu machen, die eigentlich nur für zwei Passagiere gedacht war.
Die Kutsche wurde langsamer, und Alexia nutzte dies, um aufzustehen und sich vorsichtig umzudrehen. Sie sah über das Dach und den Kutschbock auf die Straße hinter ihnen, und als sie sich wieder setzte, zeigte sie ein Stirnrunzeln.
»Was ist los?«, wollte Madame Lefoux wissen.
»Ich möchte Sie nicht beunruhigen, aber ich glaube, wir werden verfolgt.«
Nun war es Madame Lefoux, die aufstand. Mit einer Hand hielt sie ihren Zylinder und mit der anderen sich selbst am Dach der Kutsche fest. Kurz darauf nahm sie wieder Platz, ebenfalls eine Falte zwischen ihren perfekt geschwungenen Augenbrauen.
Alexia sah ihren Kammerdiener an. »Floote, wie sind Sie in Sachen Munition ausgestattet?«
Floote griff in die Innentasche seiner Jacke, zog die zwei winzigen Pistolen hervor und ließ sie nacheinander aufschnappen. Er hatte die einschüssigen Pistolen nach ihrem kleinen Vampirärgernis nachgeladen. Dann fischte er weiter in seiner Jacke herum und förderte eine kleine Menge in ein Stück Papier gewickeltes Schießpulver und acht weitere Patronen zutage.
Madame Lefoux griff an Alexia vorbei, nahm eine der Patronen und untersuchte sie interessiert. Alexia besah sie sich ebenfalls. Sie waren aus Hartholz gefertigt, mit einer Spitze aus Silber und gefüllt mit Blei.
»Altmodische Sundowner-Munition«, erkannte die Französin. »Um diese Tageszeit brauchen wir die nicht. Unsere Verfolger müssen Drohnen sein. Dennoch, Monsieur Floote, wie kommen Sie dazu? Sie können doch unmöglich befugt sein, Übernatürliche zu töten.«
»Ach«, meinte Floote, während er die Patronen wieder in die Jackentasche steckte, »sagen wir einfach, dass ich sie geerbt habe, Madam.«
»Von Mr. Tarabotti, ja?« Madame Lefoux nickte verstehend. »Das erklärt das Alter der Pistolen. Sie sollten sich einen dieser neumodischen Colt-Revolver zulegen, Monsieur Floote. Die sind viel effektiver!«
Floote warf einen fast zärtlichen Blick auf die beiden winzigen Pistolen, bevor er sie wieder wegsteckte. »Vielleicht.«
Alexia war fasziniert. »Mein Vater war ein offizieller Sundowner?«
»Nicht direkt, Mylady.« Ausweichende Antworten zu geben schien zu Flootes Angewohnheiten zu gehören, doch wann immer die Sprache auf Alessandro Tarabotti kam, schien seine Verschwiegenheit neue Dimensionen zu erreichen.
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