Entflammte Nacht
einschlug, hindurchkletterte und dem armen Mann einen krachenden Kinnhaken versetzte. Er fiel um wie ein Stein, und sein Heizer, ein schmächtiger dünner Bursche mit großen, ängstlichen Augen, fügte sich widerstandslos ihren Forderungen.
Sonst war niemand an Bord.
Alexia riss die Rüschen ihrer Tournüre in Streifen und reichte sie Floote, der den Jungen und dessen bewusstlosen Vorgesetzten damit verschnürte und dabei bemerkenswerte Fingerfertigkeit in der Kunst des Knotenknüpfens demonstrierte.
»Sie machen das ziemlich geschickt«, bemerkte Alexia.
»Nun ja, Madam. Mr. Tarabottis Kammerdiener gewesen zu sein hat seine Vorteile.«
»Genevieve, wissen Sie, wie man dieses Ding fährt?«, wollte Alexia wissen.
»Ich habe nur an den anfänglichen Schaltplänen gearbeitet, aber wenn es Ihnen gelingt, den Kessel einzuheizen, werde ich es schon herausfinden.«
»Wird gemacht!« Einheizen konnte Alexias Meinung nach nicht so schwer sein.
Schon bald ließ die Wirkung des Magnetfeldstörers nach, und die riesige Dampfmaschine in der Mitte der Kabine erwachte rumpelnd wieder zum Leben. Die Kabine hatte jeweils an beiden Enden ein Fenster und einen Steuerbereich, sodass der Waggon bei einem Fahrtrichtungswechsel nicht gewendet werden musste; stattdessen nahm der Zugführer einfach am anderen Ende Platz, um in die entgegengesetzte Richtung zu fahren.
Nachdem sich Madame Lefoux einen kurzen Überblick über die Bedienelemente verschafft hatte, zog sie an dem einen Ende der schwankenden Kabine erst einen wuchtigen Hebel nach unten und flitzte dann zum anderen Ende, wo sie einen ähnlichen Hebel nach oben schob.
Ein alarmierendes lautes Hupen ertönte, dann setzte sich das Gefährt mit dem riesigen, mit Baumstämmen beladenen Netz wieder in Bewegung, und zwar den Berg hoch, zurück in die Richtung, aus der es gekommen war.
Alexia stieß einen kleinen Jubelschrei aus.
Inzwischen hatte Floote ihre beiden Gefangenen fertig verschnürt. »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Sirs«, sagte er auf Englisch zu ihnen, was sie vermutlich nicht verstanden.
Alexia lächelte in sich hinein und schürte weiter den Kessel an. Der arme Floote. Diese ganze Eskapade war ziemlich unter seiner Würde.
Den Kessel zu beheizen war harte Arbeit, und allmählich spürte Alexia die Anstrengung, quer durch unwegsames Gelände gelaufen und dann einen Stützpfeiler emporgeklettert zu sein. Sie war zwar, wie Ivy einmal spöttisch bemerkt hatte, eine ziemlich sportliche junge Dame, aber man müsste schon ein regelrechter Olympionike sein, wenn man die letzten drei Tage ohne körperliche Einbußen überstand. Sie vermutete, dass das ungeborene Ungemach eventuell auch etwas mit ihrer Erschöpfung zu tun hatte. Doch da sie bisher noch nie schwanger herumgerannt war, wusste sie nicht genau, wem sie dafür die Schuld geben sollte – dem Embryo oder den Vampiren.
Madame Lefoux sprang wie verrückt auf einer Seite der Kabine hierhin und dorthin, drückte Hebel und drehte an Stellrädern, und als Antwort auf ihre Bemühungen hin tat das Schienenfahrzeug einen Satz nach vorn und beschleunigte von einem trägen, kriechenden Schritt für Schritt zu einer Art schwankendem, schleppendem Laufen.
»Sind Sie sicher, dass das Ding diese Geschwindigkeit mit einer Ladung überhaupt aushält?«, rief Alexia von ihrem Heizerposten aus.
»Nein!«, brüllte Madame Lefoux heiter zurück. »Ich versuche herauszufinden, wie man das Frachtnetz kappt, aber da scheint es eine Sicherheitssperre zu geben, die verhindert, dass die Fracht während der Fahrt abgeworfen wird. Geben Sie mir noch einen Augenblick!«
Floote deutete aus dem Frontfenster. »Ich glaube nicht, dass wir noch so lange Zeit haben, Madam.«
Alexia und Madame Lefoux blickten beide von dem auf, was sie gerade taten, und Madame Lefoux stieß einen Fluch aus.
Eine weitere beladene Kabine kam die Kabel herab auf sie zu. Sie kroch mit gemächlichem Tempo dahin, schien aber dennoch drohend schnell näher zu kommen. Zwar waren die Kabinen so konzipiert, dass eine die andere überklettern konnte, aber nicht, wenn sie beide mit einem Frachtnetz beladen waren.
»Jetzt wäre ein sehr guter Zeitpunkt herauszufinden, wie man das Netz abwirft«, meinte Alexia.
Fieberhaft sah Madame Lefoux unter dem Bedienpult nach.
Alexia überlegte sich eine andere Taktik. Sie rannte zum anderen Ende der Kabine.
»Wie löst man das Frachtnetz?«, fragte sie auf Französisch und beugte sich über den verängstigten
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