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Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)

Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)

Titel: Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim Miské
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verheiratet. Er hat nach einer Möglichkeit gesucht, mich in seiner Nähe zu behalten.«
    »Er will dich in seiner Nähe behalten? Dann musst du ihm sehr am Herzen liegen.«
    »Er ist Mystiker. Er glaubt an Übereinstimmungen und Zeichen. Seit er mich das erste Mal gesehen hat, ist er der Meinung, dass zwischen uns etwas Besonderes geschehen ist und dass Gott anwesend war. Und dann hatte ich diesen Traum. Ganz merkwürdig. Es war kurz bevor wir beide uns in der Pizzeria kennenlernten, und er ist einer der Gründe, warum ich mit dir in den Central Park gegangen bin.«
    »Ein Traum? Davon hast du mir noch nie erzählt.«
    »Stimmt, aber heute ist der richtige Tag dafür, weil er gerade wahr geworden ist. Das erste Traumbild war eine Frau. Ich habe sie damals nicht richtig gesehen, aber als du dich am übernächsten Tag mir gegenübergesetzt hast, kam es mir vor, als würde ich dich erkennen – als ob du es gewesen wärst. In meinem Traum sagtest du mir – also diese Frau sagte etwas wie ›Hör zu‹, oder ›Schreib‹, oder ›Schau hin‹. Irgendetwas in der Art. Sie trat vor eine schwarze Tafel, nahm ein Stück Kreide und zeichnete eine chemische Formel. Dann drehte sie sich wieder um, machte ›Pssst‹ und ging fort. Das Verrückte daran ist, dass ich die Formel behalten und beim Aufwachen gleich aufgeschrieben habe. Soll ich sie dir aufmalen?«
    »Klar, gern.«
    Dov geht an die Tafel, zeichnet Striche, Buchstaben und Zahlen. Fasziniert sieht Susan zu, wie vor ihren Augen etwas entsteht. Und auch wenn sie absolut gar nichts davon versteht, weiß sie doch, dass hier der Entwurf ihrer Zukunft vor ihr liegt.

    »Schau, das hier ist mir im Traum erschienen. Gleichzeitig hatte ich allerdings den Eindruck, die Formel schon zu kennen. Nach einiger Zeit fiel mir auf, dass sie der des Psilocybins sehr ähnlich, aber spiegelverkehrt ist. Kapiert? Warte, ich zeichne sie dir auf.«
    Mit wenigen Strichen zeichnet er eine weitere Formel und bemüht sich, der faszinierten, aber völlig unwissenden Susan alles zu erklären.

    »Das hier ist Psilocybin. Die Formel ist identisch, aber die drei Bindungen mit dem N und den beiden CH 3 hängen am anderen Ende. An dem Fünfeck, nicht am Sechseck, wenn du so willst.«
    »Entschuldige, Dov, das ist bestimmt wirklich genial, aber damit ich dir folgen kann, musst du mir bitte erklären, was dieses Psilocybin ist.«
    »Es ist der Hauptwirkstoff von Kahlköpfen, kennst du die? Das sind halluzinogene Pilze. Eine absolut coole Droge, ein bisschen wie der Peyote. Von diesem Kaktus hast du doch sicher schon mal gehört, er wird von Schamanen genutzt. Sagt dir castaneda etwas?«
    »Ehrlich gesagt nicht. Ich weiß aber, dass es bei den Inuit Schamanen gibt. Für meinen Vater gehörten sie immer zu den ganz schrecklichen Dingen, vor denen man fliehen und die man vernichten muss.«
    »Bei den Inuit? Was hattest du denn dort zu suchen?«
    »Ein Jahr nach dem Tod meiner Mutter haben die Zeugen Jehovas meinen Vater als Missionar nach Grönland geschickt. Wir mussten mit, obwohl wir noch kaum laufen konnten. Nancy, eine Inuit, war unser Kindermädchen, sie hat uns betreut, bis wir vier Jahre alt waren. Meine frühesten Erinnerungen habe ich an Godthåb, die Hauptstadt, wo wir damals wohnten. Unser Vater war immer auf Reisen. Nancy war natürlich auch Zeugin Jehovas, aber mein Vater traute ihr nicht über den Weg. Seltsam, aber die zwei Dinge, an die ich mich am besten erinnere, sind Nancys sanfte Art, wenn sie uns in den Schlaf sang, und die Wut unseres Vaters, wenn er über die Inuit herzog. Er verabscheute sie aus tiefstem Herzen. Immer wenn er von einer Reise zurückkehrte, hielt er uns flammende, unverständliche Ansprachen, warum wir uns vor ihnen hüten müssten. Vor allem redete er über die Schamanen, die für ihn wahre Dämonen unter dem Einfluss von Drogen waren. Wir kapierten natürlich nichts davon, trotzdem hat es sich in unsere Köpfe eingebrannt. Aber erzähl ruhig mehr über diese Kahlköpfe. Deine Geschichte ist interessanter als meine. Ich werde immer nur traurig, wenn ich daran denke.«
    »Hm. Na ja, sie sind natürlich nicht so stark wie die Drogen der Schamanen, aber sie kommen schon ganz gut. Du kriegst das Gefühl, plötzlich viel größer zu sein. Du hältst dich für Captain America oder Harry Potter oder was weiß ich. Als Dope ist das Zeug ganz witzig, aber man sollte mit den richtigen Leuten zusammen sein, wenn man es nimmt.
    Kurz und gut, ich ging also zum Rebbe und

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