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Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Ihnen bisher nicht erzählt habe. Bevor ich mit Leutnant Endlung aufbrach, um Banville und Carr zu beschatten, sagte Freyby zu mir: ›Heute Sie schauen besser.‹ Ich dachte noch verblüfft: Weiß er etwa, was ich vorhabe?«
    »Sie schauen besser? So hat er gesagt?« wunderte sich Fandorin.
    »Ja, mit Hilfe seines Wörterbuches.«
    Wir mußten das Gespräch unterbrechen, denn wir waren schon vor dem Haus angekommen.
    Mademoiselle empfing uns noch in ihrer Decke, aber frisiert und duftend.
    »Oh, Geschenke!« rief sie und betrachtete entzückt unser Gepäck. »Isch will schnell angücken!«
    Und sie löste gleich in der Diele die Bänder und Schnüre.
    Fandorin und ich standen abseits und waren aufgeregt.
    »Mon Dieu, qu’est-ce que c’est?« murmelte Emilie, als sie aus dem rosa Seidenpapier die von Fandorin ausgewählten Pantalons hob. »Quelle horreur! Pour qui me prenez vous?« 35
    Fandorin bot einen kläglichen Anblick. Den Rest gab ihmMademoiselle, als sie erklärte, das rosa Korsett mit der lila Schnur sei vulgär, so etwas trügen nur Kokotten, und von der Größe übertreffe es ihre bescheidenen Proportionen mindestens um das Dreifache.
    Ich war entrüstet. Diesem Menschen konnte man nichts anvertrauen! Da war ich eine Minute abgelenkt gewesen, und schon hatte er alles verdorben. Von all seinen Anschaffungen fanden nur die Seidenstrümpfe Zustimmung.
    Doch dann traf mich ein herber Schlag. Als Mademoiselle das wunderhübsche Hütchen mit den Veilchen aus der Schachtel nahm, zog sie zuerst erstaunt die Brauen hoch und schüttete sich dann vor Lachen aus. Sie lief zum Spiegel und drehte ihren Kopf hin und her.
    »Un vrai épouvanteil!« 36 war das gnadenlose Urteil.
    Das schöne Kleid aus Barège-Seide und die Prunellschuhe, der letzte Pariser Chic, kamen nicht besser weg.
    »Ich sehe, meine Herren, daß man Ihnen in den wesentlichen Dingen doch nicht vertrauen darf«, sagte Emilie abschließend mit einem Seufzer. »Na schön, damit komme ich bis zur Eremitage, und dort kann ich mich ja umziehen.«
    Bevor Mademoiselle in die Droschke stieg, gab Fandorin letzte Anweisungen: »Erzählen Sie dort, daß wir Sie aus der Gefangenschaft befreit haben und daß wir die Suche nach Lind fortsetzen. Geben Sie aber nicht unsere Adresse preis. Und Sie wissen auch nicht, daß wir den ›Orlow‹ und die Juwelen haben. Ruhen Sie sich aus, sammeln Sie Kräfte. Und noch etwas.« Er senkte die Stimme zum Flüstern, obwohl der Kutscher kein Französisch verstand. »Höchstwahrscheinlich ist Freyby Linds Mann. Beobachten Sie ihn und seien Sie sehr vorsichtig. Aber zu Karnowitsch kein Wort, sonst könnte erin seinem Eifer alles verderben. Von Banville jedoch erzählen Sie ihm unbedingt – soll auch die Polizei nach ihm fahnden, das macht ihm das Leben schwerer. Das wäre alles, auf Wiedersehen. Wenn es etwas Dringendes gibt, rufen Sie an. Die Nummer haben Sie.«
    Er drückte ihr die Hand. Ach, Handschuhe, fiel mir ein. Wir hatten völlig vergessen, ihr Handschuhe zu kaufen!
    »Auf Wiedersehen, meine Freunde.« Emilie blickte Fandorin und dann mir in die Augen. »Ich stehe für immer in Ihrer Schuld. Sie haben mich aus diesem grauenhaften Keller befreit, wo ich am Geruch fauliger Kartoffeln fast erstickt wäre.« Ihre grauen Augen blitzten übermütig. »Es war sehr romantisch, wie in einem Ritterroman. Freilich habe ich noch nicht gehört, daß Ritter, um eine schöne Frau aus einem verzauberten Schloß zu befreien, zum Brecheisen eines Hausmeisters gegriffen hätten.«
    Sie winkte uns zum Abschied, und die Droschke rollte Richtung Mjasnizkaja.
     
    Wir sahen der Droschke nach, bis sie hinter der Kurve verschwand. Ich blickte Fandorin von der Seite an. Er wirkte nachdenklich, sogar ein wenig konfus. Das gefiel mir gar nicht. Hatte dieser Schürzenjäger etwa ein Auge auf Emilie geworfen?
    »Was nun weiter?« fragte ich absichtlich schroff.
    Fandorins Gesicht wurde mit einem Schlag finster und entschlossen, aber er antwortete nicht sofort, sondern erst nach einer längeren Pause.
    »Also, Sjukin, Frauen und Troß sind in Sicherheit. Und wir sind wieder auf dem K-Kriegspfad. Doktor Lind läuft frei herum, und das bedeutet, unsere Aufgabe ist noch nicht erfüllt.«
    »Vor allem müssen wir Seine Hoheit retten«, mahnte ich. »Ich hoffe, daß Sie über Ihrem Rachedurst nicht das Schicksal des Großfürsten vergessen.«
    Er wurde verlegen, das war zu sehen. Also war meine Mahnung zur rechten Zeit gekommen.
    »Ja, ja, natürlich. Aber

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