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Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Treuebruch seines Liebhabers hat Lind wirklich gekränkt. Und was die gestrige Katastrophe betrifft, so diente sie höchstwahrscheinlich einem anderen Ziel: nämlich mit dem Moskauer Generalgouverneur abzurechnen. Wenn Lind einfach hätte untertauchen wollen, dann hätte er sich etwas weniger Kompliziertes und Riskantes ausgedacht. Er hätte doch in dem Gedränge selber zerquetscht werden können.«
    »Sie sind eine überaus kluge Frau, Mademoiselle«, sagte Fandorin mit ernster Miene. »Dann sind Sie der Meinung, daß der Liebhaber gefärbter Nelken in Lebensgefahr ist?«
    »Zweifellos. Lind gehört nicht zu den Leuten, die aufgebenoder verzeihen. Mißerfolge entfachen nur den in ihm brodelnden Haß. Wissen Sie, mich dünkt, daß Linds Leute der Homosexualität eine besondere, fast mystische Bedeutung beimessen. Sie haben ihren Anführer nicht einfach gefürchtet oder verehrt. Ich glaube, sie waren in ihn verliebt, wenn dieses Wort hier erlaubt ist. Lind war wie der Sultan im Harem, nur umgaben ihn keine Odalisken, sondern Diebe und Mörder. Was Mr. Carr betrifft, so haben Sie wohl recht – er war für Lind eine Art Schoßhündchen oder Windspiel, so ließ sich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Ich bin sicher, daß ihm der Doktor den Treuebruch nicht verzeiht.«
    »Also müssen wir Carr beistehen.« Fandorin legte die zerknitterte Serviette auf den Tisch und erhob sich. »Emilie, wir setzen Sie in eine Droschke, und Sie warnen in der Eremitage den Engländer.«
    »Sie muten mir zu, in diesem Aufzug im Schloß zu erscheinen?« rief Mademoiselle empört. »Um nichts auf der Welt! Lieber zurück in den Keller!«
    Fandorin rieb sich bestürzt das Kinn.
    »Sie haben recht. Daran habe ich nicht gedacht. Sjukin, v-verstehen Sie etwas von Damenkleidung, von Hüten, Schuhen und dergleichen?«
    »Ganz wenig«, bekannte ich.
    »Ich noch weniger. Aber es hilft nichts. Wir geben Emilie Gelegenheit, ihre M-Morgentoilette zu machen, und suchen unterdessen ein paar Geschäfte in der Mjasnizkaja auf. Irgend etwas werden wir schon finden. Emilie, vertrauen Sie unserem Geschmack?«
    Sie drückte die Hand an die Brust.
    »Ihnen, meine lieben Erren, vertraue isch in allem.«
     
    Wir gingen in die Mjasnizkaja und betrachteten unschlüssig die Auslagen der Konfektionsgeschäfte.
    »Wie wär’s damit?« Fandorin zeigte auf eine Spiegelvitrine mit dem Schild »Letzte Pariser Mode«. »P-Paris, das ist doch bestimmt gut?«
    »Ich habe Ihre Kaiserliche Hoheit sagen hören, daß in dieser Saison die Londoner Mode gefragt ist. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, daß Mademoiselle auch all die Dinge fehlen, die für eine anständige Dame unentbehrlich sind.«
    »Was m-meinen Sie damit?«
    Fandorin starrte mich verständnislos an, und ich mußte deutlicher werden: »Unterwäsche, Strümpfe, Pantalons.«
    »Ja, ja, in der Tat. Ich sehe, Sjukin, Sie k-kennen sich aus. Entscheiden Sie.«
    Die erste Schwierigkeit trat im Schuhladen auf. Als ich die Stapel von Kartons sah, wurde mir bewußt, daß ich keine Ahnung hatte, welche Größe wir brauchten. Aber hier kam uns Fandorins Beobachtungsgabe zustatten. Er hielt dem Verkäufer seine Handfläche hin und sagte: »So groß plus anderthalb Zoll. Ich denke, das wird hinkommen.«
    »Und was für eine Fasson wäre genehm?« Der Verkäufer verbog sich. »Wir haben Prunellschuhe mit Dreiviertelabsatz – der letzte Chic. Oder hier Atlastrittchen, Pumps aus bedrucktem türkischem Satin, Halbstiefelchen aus Kimry, Schuhe von Albin Picot.«
    Wir tauschten einen Blick.
    »Geben Sie uns den letzten Chic«, entschied Fandorin und bezahlte neunzehn Rubel und fünfzig Kopeken.
    Mit einem fliederblauen Karton in der Hand zogen wir weiter. Der Anblick der vornehmen Papphülle erinnerte michan ein anderes Behältnis, das ich seit dem gestrigen Abend nicht mehr gesehen hatte.
    »Wo ist die Schatulle?« fragte ich beunruhigt. »Wenn nun Diebe einbrechen. Moskau ist doch voller Gesindel.«
    »Seien Sie u-unbesorgt, Sjukin. Ich habe die Schatulle so versteckt, daß nicht einmal die Kriminalpolizei sie findet«, beruhigte er mich.
    Kleid und Hut kauften wir ohne größere Probleme im Geschäft »Bo Brummel. Waren aus London«. Uns beiden gefiel auf Anhieb ein honiggelbes, golddurchwirktes Kleid aus Barège-Seide mit einem Überwurf. Fandorin blätterte dafür hundertfünfunddreißig Rubel hin, und weiß Gott, das Kleid war sein Geld wert. Das Hütchen aus Spitzentüll (meine Wahl) kostete fünfundzwanzig

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