Entfuehrung in den Highlands
Kampf auszufechten haben, würdet ihr euch wünschen, ein paar MacLeans an eurer Seite zu wissen, für den Fall, dass sich die Dinge schlecht entwickeln. Wenn es ein Wort gibt, welches die MacLeans nicht kennen, so ist es das Wort „aufgeben“.
So sprach die alte Heilerin Nora von Loch Lomond in einer kalten Nacht zu ihren drei jungen Enkelinnen.
Die Reise nach London war lang und anstrengend. Obwohl die Kutsche von guter Qualität war - Alexander würde seiner Schwester nichts anderes zumuten schwankte und holperte sie die Straße entlang, weil Jack auf größtmögliche Geschwindigkeit bestand.
Abgekämpft, wie Fiona war, fiel sie nach den ersten paar Stunden in einen tiefen Schlaf. Die nächsten zwei Tage zogen wie hinter dichten Nebeln an ihr vorbei. Jedes Mal, wenn sie anhielten, weil die Pferde gewechselt werden mussten, weckte Jack sie und führte sie in den Gasthof. Dort nahm sie verschlafen eine Mahlzeit zu sich, dann waren sie auch schon wieder unterwegs, und die Kutsche schwankte in halsbrecherischem Tempo London entgegen.
Schließlich, spät am dritten Tag der Reise, schreckte Fiona aus ihrem tiefen, traumlosen Schlaf hoch. Sie hob den Kopf und blinzelte in die Dunkelheit, während sie langsam wieder zu sich kam.
Nach und nach drang in ihr Bewusstsein, dass sie sich in ihrer Kutsche befand, wo sie zusammengerollt in einer Ecke der Sitzbank lag. Ihre Wange schmiegte sich an ... eine Weste.
Schlagartig wurde sie wach, und sie setzte sich kerzengerade hin.
Jack. Die Hochzeit. London.
Oh Gott! Sie schluckte krampfhaft, als sie bemerkte, dass ihr Schenkel sich fest an seinen presste.
Sie hatte im Schlaf an ihm gelehnt. Hastig flüchtete sie auf die andere Seite der Sitzbank und verbarg ihr Gesicht in den Händen.
„Was ist los, Liebste?“ Jacks Stimme brachte ihr Blut in Wallung. „Bin ich dir nicht weich genug?“
Für einen Moment schloss Fiona die Augen. Bitte, bitte, lass mich nicht gesabbert haben.
Als sie die Lider wieder öffnete, sah sie in der Dunkelheit einen Funken und dann eine Flamme, anschließend hörte sie ein schwaches Zischen, als Jack eine der Laternen anzündete, die ihr gegenüber hingen.
Ein warmer, goldener Schein durchflutete das Innere der Kutsche und ließ Jacks kastanienfarbenes Haar in einem tiefen, satten Braun aufleuchten, während er sich wieder neben sie setzte und sein Bein erneut an ihres presste.
Fionas Blick irrte über seine Kleidung. Als sie keinen Spuckefleck entdecken konnte, der seine Weste verunstaltete, sandte sie ein stummes Stoßgebet gen Himmel.
Erleichtert strich sie ihr Haar glatt und steckte hier und da Nadeln wieder fest, allerdings gelang es ihr nicht recht, die widerspenstigen Löckchen zu bändigen, die sie zwischen ihren Fingern fühlte. Sobald sie Jacks amüsiertes Gesicht sah, errötete sie. „Ich muss schrecklich aussehen.“
Der Blick seiner Augen, die im Laternenlicht fast schwarz erschienen, glitt an ihr entlang, und ein leises Lächeln legte sich um seine Lippen. „Du siehst aus wie eine Frau, die gerade aus einem wunderbar zerwühlten Bett gestiegen ist.“
Sofort entstand vor Fionas innerem Auge ein Bild. Sie sah sich und Jack, beide nackt, die Körper ineinander verschlungen ... Erinnerungen kamen in ihr hoch, von denen sie geglaubt hatte, sie wären längst verblichen.
Sie biss sich auf die Unterlippe und hoffte, der Schmerz würde die Gedanken vertreiben.
„Versuch nicht, mich mit diesem Blick zu verführen“, sagte Jack mit rauer Stimme.
Ihr Blick war verführerisch? Sie hob die Ecke des Vorhangs und betrachtete ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe. „Ich sehe kein bisschen verführerisch aus. Ich sehe einfach nur ... schrecklich aus! Meine Haare!“ An ihrem Hinterkopf standen zwei große Locken in die Höhe und ließen sie ein wenig teuflisch aussehen. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass ich Hörner habe?“
„Vielleicht weil ich Frauen mit Hörnern mag.“ Er kreuzte die Arme vor der Brust und sah dabei höchst attraktiv aus, obwohl oder vielleicht gerade weil er so sehr an einen Wolf erinnerte.
Sie versuchte, ihre Locken zu glätten. „Du magst also Hörner? Es ist äußerst verlockend, eine Bemerkung über dich und dein Vieh zu machen.“
Widerwillig musste er lachen. „Bei Gott, du bist ein ziemlich freches Weib.“
„Das war ich schon immer.“ Sie strich ein letztes Mal über ihre Frisur. „Wie sieht mein Haar jetzt aus?“
Sein dunkler Blick strich über ihr Haar und wanderte dann tiefer.
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