Enthüllung
Probleme. Geschäftspartner gehen ihm aus dem Weg. Wohin er sich auch wendet, er sieht nur anklagende Mienen. Man rät ihm, sich einen Anwalt zu nehmen. Und er ist so erschüttert, so verunsichert, daß er nun seinerseits einen Therapeuten aufsucht.
Sein Anwalt geht der Sache nach und erfährt peinliche Ei n zelheiten. Es stellt sich nämlich heraus, daß diese bestimmte Psychologin einen sehr hohen Prozentsatz an Kindesmißbrauch konstatiert. Sie hat bereits so viele Fälle gemeldet, daß die bundesstaatliche Jugendbehörde seit einiger Zeit den Verdacht der Voreingenommenheit hegt. Aber das Jugendamt kann nichts unternehmen: Das Gesetz fordert nun einmal, daß jeder Fall untersucht wird. Die zuständige Sozialarbeiterin wiederum ist aktives Mitglied einer Lesbierinnenorganisation. Sie ist in der Vergangenheit bereits wegen ihres übertriebenen Eifers bei der Verfolgung zweifelhafter Fälle gerügt worden und wird von vielen für inkompetent gehalten. Aber aus den üblichen Grü n den kann der Bundesstaat sie nicht entlassen.
Der konkrete – offiziell aber nie vorgebrachte – Vorwurf lautet, Masters habe seine Tochter in dem Sommer belästigt, als sie in der dritten Klasse der Grundschule war. Masters denkt an diese Zeit zurück, und plötzlich hat er eine Idee. Er sieht in seinen alten Kontoauszügen und seinen Terminkalendern nach und findet heraus, daß seine Tochter den ganzen Sommer ihres dritten Schuljahres in einem Feriencamp in Montana verbrachte. Als sie im August heimkam, befand Masters sich gerade auf Geschäftsreise in Deutschland, und von dieser Reise kehrte er erst nach Schulbeginn zurück.
Er hatte seine Tochter in jenem Sommer überhaupt nicht gesehen.
Masters’ Analytiker hält es für auffällig, daß seine Tochter den Mißbrauch zu einem Zeitpunkt ansetzte, zu dem der Mißbrauch unmöglich hatte stattfinden können. Der Analytiker schließt daraus, daß die Tochter sich allein gelassen fühlte und dieses Gefühl unbewußt in eine Erinnerung an Mißbrauch umwandelte. Masters erzählt das seiner Frau und seiner Tochter. Sie hören sich an, was er an Beweisen vorzubringen hat, geben zu, sich im Datum geirrt zu haben, bleiben jedoch eisern bei ihrer Ansicht, daß ein Mißbrauch stattgefunden hat.
Aber die Tatsachen in bezug auf Masters’ Termine in jenem Sommer führen dazu, daß der Staat die Untersuchung abbricht und Microsoft Masters wieder einstellt. In der Zwischenzeit hat er jedoch eine Beförderungsrunde verpaßt, und seine berufl i chen Fähigkeiten werden insgeheim angezweifelt. Seine Karriere ist auf irreparable Weise geschädigt. Seiner Frau gelingt es nicht, sich je wieder mit ihm zu versöhnen, schließlich reicht sie die Scheidung ein. Seine jüngere Tochter sieht er nie wieder. Seine ältere Tochter ist zwischen den sich bekriegenden Seiten ihrer Familie hin und her gerissen und trifft sich im Lauf der Zeit immer seltener mit ihrem Vater. Masters lebt allein, arbeitet hart, um sich ein neues Leben aufzubauen, und erleidet einen beinahe tödlich verlaufenden Herzinfarkt. Nach seiner Genesung trifft er sich hin und wieder mit ein paar Freunden, aber er ist jetzt depressiv und trinkt zuviel – ein schlechter Kumpel. Andere Männer meiden ihn. Niemand kann ihm eine Antwort auf die Frage geben, die er ständig stellt: Was habe ich falsch gemacht? Was hätte ich anders machen sollen? Wie hätte ich das alles verhindern können?
Denn natürlich hätte er es nicht verhindern können. Zumindest nicht in dem gegenwärtig herrschenden gesellschaftlichen Klima, in dem Männer als schuldig gelten, ganz egal, was man ihnen vorwirft.
Und die Konsequenzen? überlegte Sanders. Untereinander sprachen die Männer manchmal darüber, Frauen wegen falscher Beschuldigungen anzuzeigen. Sie sprachen über Geldstrafen, die im Ausgleich für den durch solche Beschuldigungen entstandenen Schaden gezahlt werden müßten. Aber das war nur so dahingesagt. Vor allem aber begannen sie alle, ihr Verhalten zu ändern. Jetzt galten neue Regeln, und jeder Mann kannte sie: Lächle niemals auf der Straße ein Kind an, außer wenn deine Frau dabei ist. Berühre niemals ein fremdes Kind. Bleib niemals allein mit einem fremden Kind, nicht einmal für wenige S e kunden. Wenn dich ein Kind in sein Zimmer einlädt, geh unter keinen Umständen mit, es sei denn, ein anderer Erwachsener, vorzugsweise eine Frau, ist anwesend. Laß bei einer Party niemals ein kleines Mädchen auf deinem Schoß sitzen. Wenn das Mädchen auf
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