Enthüllung
deinen Schoß will, dann schieb es sanft zur Seite. Solltest du jemals zufällig ein nacktes Kind, Junge oder Mädchen, sehen, wende deinen Blick sofort ab. Am besten ist es, wenn du sofort weggehst.
Und es war ratsam, auch im Umgang mit den eigenen Kindern Vorsicht walten zu lassen, denn wenn die Ehe schiefging, bestand die Möglichkeit, daß die eigene Frau einen beschu l digte. Und dann würde das Verhalten in der Vergangenheit plötzlich in einem ungünstigen Licht gesehen: »Ach, er war ein so zärtlicher Vater … vielleicht sogar ein bißchen zu zärtlich.« Oder: »Er verbrachte ja soviel Zeit mit den Kindern … Er war ja so oft daheim …«
Diese Welt war eine Welt der Regeln und Strafen, eine den Frauen gänzlich unbekannte Welt. Wenn Susan auf der Straße ein Kind sah, das weinte, weil es hingefallen war, hob sie es auf. Sie tat das ganz automatisch, ohne darüber nachzudenken. Sanders würde das niemals wagen. Nicht in Zeiten wie diesen.
Und natürlich galten jetzt auch im Geschäftsleben neue R e geln. Sanders kannte Männer, die keine Geschäftsreisen mit einer Frau antraten, die sich im Flugzeug niemals neben eine Kollegin setzen und sich unter keinen Umständen mit einer Frau auf einen Drink in einer Bar treffen würden, wenn nicht noch eine dritte Person dabei war. Sanders hatte solche Vorsicht s maßnahmen immer für übertrieben, ja für paranoid gehalten. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher.
Das Tuten der Fähre schreckte ihn aus seinen Gedanken auf. Er hob den Blick und sah das schwarze Pfahlwerk des Coleman Docks direkt vor sich. Die Wolken waren noch immer dunkel, regenschwer. Sanders stand auf, schloß den Gürtel seines Regenmantels und eilte unter Deck zu seinem Wagen.
B evor er sich auf den Weg zum Schlichtungszentrum begab, machte Sanders einen Abstecher ins Büro, um einige Schrif t stücke mitzunehmen. Sie enthielten Hintergrundinformation über das Twinkle-Laufwerk und würden sich möglicherweise im Verlauf der Schlichtungssitzung als nützlich erweisen. Zu seiner Überraschung traf er in seinem Büro John Conley an, der sich gerade mit Cindy unterhielt. Es war Viertel nach acht.
»Ah, Tom«, sagte Conley, »ich habe mich gerade um einen Termin bei Ihnen bemüht, aber Cindy sagt, Sie hätten einen randvollen Terminkalender und sind möglicherweise den ganzen Tag außer Haus.«
Sanders warf Cindy einen Blick zu. Sie wirkte sehr ang e spannt. »Ja«, sagte er, »zumindest den Vormittag über.«
»Also, ich brauchte nur ein paar Minuten …«
Sanders winkte ihn in sein Büro. Conley trat ein und Sanders schloß die Tür.
»Ich freue mich schon auf das morgige Briefing für John Marden, unseren Geschäftsführer«, begann Conley. »Wie ich höre, werden Sie bei dieser Gelegenheit ja auch das Wort ergreifen …«
Sanders nickte gedankenverloren. Er hatte nichts von einem Briefing gehört. Und morgen – das erschien ihm sehr weit weg. Es kostete ihn Mühe, sich auf Conleys Worte zu konzentrieren.
»Natürlich wird von uns allen erwartet, zu einigen dieser Tagesordnungspunkte Stellung zu beziehen«, fuhr Conley fort. »Und ganz besondere Sorge bereitet mir in diesem Zusa m menhang Austin.«
»Austin?«
»Ich meine den Verkauf der Anlage in Austin.«
»Ah ja«, sagte Sanders. Es war also doch wahr.
»Wie Sie wissen, hat sich Meredith Johnson zu einem frühen Zeitpunkt und mit großem Engagement für den Verkauf au s gesprochen«, sagte Conley. »Es war dies eine der ersten Empfehlungen, die sie uns gab – noch in einer frühen Phase der Fusionsberatungen. Marden sorgt sich um den Cash-flow nach dem Ankauf; die Sache wird uns Schulden einbringen. Auße r dem macht Marden sich Gedanken über die Finanzierung der Weiterentwicklung auf dem High-Tech-Sektor. Johnson schlug vor, die Schuldenlast durch den Verkauf von Austin zu verri n gern. Ich selbst fühle mich nicht kompetent, das Für und Wider dieses Vorschlags zu beurteilen, daher wollte ich Sie um Ihre Meinung dazu bitten.«
»Meine Meinung über den Verkauf der Fabrik in Austin?«
»Ja. Offenbar haben sich Hitachi und Motorola bereits an einem Kauf interessiert gezeigt. Es besteht also durchaus die Möglichkeit einer zügigen Abwicklung. Ich denke, genau darum geht es Meredith. Hat sie das bereits mit Ihnen besprochen?«
»Nein.«
»Sie hat zur Zeit wohl sehr viel zu tun, ich denke, sie muß sich in ihren neuen Job einarbeiten«, sagte Conley und sah, während er sprach, Sanders aufmerksam an. »Was halten Sie also
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