Enthüllung
Macht des Patriarchats hat sich wieder einmal selbst entlarvt, diesmal in einem ortsansässigen High-Tech-Unternehmen, das ich hier als Firma X bezeichne. Diese Firma besetzte eine hohe Stelle in der Führungsspitze mit einer qualifizierten und kompetenten Frau. Aber viele Männer in dieser Firma setzen jetzt die Hebel in Bewegung, um diese Frau loszuwerden.
Ein Mann, nennen wir ihn Mr. Piggy, hat sich dabei als ganz besonders rachsüchtig erwiesen. Mr. Piggy erträgt es nicht, eine Frau als Chef zu haben, und leitet innerhalb des Betriebs wochenlang eine mit Unterstellungen gespickte knallharte Kampagne, um zu verhindern, daß es soweit kam. Als diese Kampagne ihre Wirkung verfehlt, behauptet Mr. Piggy, seine neue Chefin habe ihn in ihrem Büro sexuell belästigt und beinahe vergewaltigt. Die eklatante Bösartigkeit seiner B e hauptung wird nur noch von ihrer Absurdität übertroffen.
Einige von Ihnen werden sich fragen, wie es möglich sein soll, daß eine Frau einen Mann vergewaltigt. Die Antwort lautet selbstverständlich: So etwas geht gar nicht. Vergewaltigung ist ein Gewaltverbrechen, ein ausschließlich von Männern begangenes Verbrechen. Männer bedienen sich mit erschrecken der Häufigkeit der Notzucht, um Frauen in ihre Schranken zu verweisen. Das ist der wahre Kern unserer Gesellschaft und aller Gesellschaften davor.
Was dagegen die Frauen betrifft, so unterdrücken sie die Männer nicht, und wenn sie es wollten, wären sie der körpe r lichen Kraft eines Mannes gegenüber machtlos. Die Behauptung, eine Frau habe eine Vergewaltigung begangen, ist daher völlig absurd. Was Mr. Piggy, der nur daran interessiert ist, seine neue Vorgesetzte fertigzumachen, allerdings nicht daran gehindert hat, ebendiese Behauptung aufzustellen. Jetzt will er sie sogar wegen sexueller Belästigung verklagen!
Um es kurz zu machen: Mr. Piggy legt die üblen Angewoh n heiten eines typischen Vertreters des Patriarchats an den Tag. Wie Sie sich denken können, ist sein ganzes Leben von diesen Gewohnheiten durchdrungen. Obwohl die Ehefrau von Mr. Piggy eine hervorragende Anwältin ist, drängt er sie, ihren Beruf aufzugeben und daheim bei den Kindern zu bleiben. Mr. Piggy will eben nicht, daß seine Frau sich in der Geschäftswelt bewegt, wo ihr seine Affären mit jungen Frauen und sein exzessiver Alkoholkonsum zu Ohren kommen könnten. Wahrscheinlich ahnt er, daß das auch seiner neuen Chefin nicht gefallen würde. Es könnte ja sein, daß sie ihm nicht erlauben wird, zu spät zur Arbeit zu erscheinen, was bei ihm häufig der Fall ist.
Mr. Piggy hat also mit seinem hinterhältigen Spiel begonnen, und schon ist die Karriere einer weiteren hochtalentierten Geschäftsfrau ohne deren eigenes Verschulden gefährdet. Wird es ihr gelingen, die Schweine der Firma X in ihrem Verschlag zu halten? Bleiben Sie dran – ich halte Sie auf dem laufenden.
»Gütiger Himmel!« sagte Sanders. Dann las er den Ko m mentar noch einmal.
Mary Anne Hunter kam mit zwei Cappuccinos zurück und setzte sich. Einen der Pappbecher schob sie Sanders hin. »Da. Siehst aus, als könntest du ihn brauchen.«
»Wie sind die an die Geschichte gekommen?«
Hunter schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Aber ich nehme an, daß es innerhalb der Firma eine undichte Stelle gibt.«
»Aber wer nur?« Sanders überlegte. Um noch in dieser Au s gabe erscheinen zu können, mußte die Geschichte am Nac h mittag des Vortags gegen 15, 16 Uhr durchgesickert sein. Wer in der Firma hatte zu diesem Zeitpunkt wissen können, daß er mit dem Gedanken einer Klage spielte?
»Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wer es gewesen sein könnte«, sagte Hunter. »Aber ich höre mich mal um.«
»Und wer ist diese Constance Walsh?«
»Sie hat eine eigene Kolumne im Post-Intelligencer «, erklärte ihm Hunter. »Feministische Perspektiven, so was in der Art.« Sie schüttelte den Kopf. »Wie geht es Susan? Ich wollte sie heute morgen anrufen, aber bei euch hat niemand abgehoben.«
»Susan ist für ein paar Tage weggeflogen. Mit den Kindern.«
Hunter nickte langsam. »Das ist wahrscheinlich eine gute Idee gewesen.«
»Fanden wir zumindest.«
»Weiß sie von der Sache?«
»Ja.«
»Und, ist es wahr? Klagst du wegen Belästigung?«
»Ja.«
»Meine Güte!«
»Ja«, sagte er noch einmal, nickend.
Sie blieb lange schweigend neben ihm sitzen. Schließlich sagte sie: »Ich kenne dich schon sehr lange. Ich hoffe, daß es gut für dich ausgeht.«
»Das hoffe ich auch.«
Wieder
Weitere Kostenlose Bücher