Enthüllung
Sie es von dem Moment an, in dem Sie die Frau zum erstenmal sehen.«
Durch die Tür. Alks ganz langsam. Sein Kopf bewegt sich bei jedem Schritt sanft auf und ab. In den Vorraum. Rechts der eine Schreibtisch, aufgeräumt, die Lampe brennt. Links der andere Schreibtisch und die Putzfrau, die gerade den Papierkorb hebt –»Ich sehe sie.«
»Gut. Lassen Sie das, was Sie sehen, zu einem Standbild erstarren. Betrachten Sie es wie ein Foto.«
»Okay.«
»Sehen Sie sich die Putzfrau an. Sie können Sie jetzt in aller Ruhe betrachten.«
Sie steht da, den Papierkorb in der Hand. Sie starrt ihn mit ausdrucksloser Miene an. Sie ist ungefähr 40. Kurzes Haar, Locken. Blauer Kittel, wie ein Zimmermädchen in einem Hotel. Um den Hals trägt sie ein Silberkettchen – nein, es ist eine herabhängende Brille.
»Sie trägt eine Brille um den Hals, an einer Metallkette.«
»Gut. Lassen Sie sich Zeit. Wir haben es nicht eilig. B e trachten Sie die Frau von Kopf bis Fuß.«
»Ich sehe noch immer ihr Gesicht …«
Sie starrt ihn mit ausdrucksloser Miene an.
»Wenden Sie den Blick langsam von ihrem Gesicht ab. B e trachten Sie ihren Körper von oben bis unten.«
Der Kittel. An der Hüfte ist eine Spraydose befestigt. Kni e langer blauer Rock. Weiße Schuhe. Wie eine Krankenschwester. Nein, es sind Turnschuhe. Nein, sie sind dicker – es sind Joggingschuhe. Dicke Sohlen. Dunkle Schnürsenkel. Mit den Schnürsenkeln ist irgend etwas.
»Sie trägt … Joggingschuhe oder so. Niedliche Joggingschuhe für nette ältere Damen.«
»Gut.«
»Die Schnürsenkel sind irgendwie komisch.«
»Können Sie sehen, was an ihnen so komisch ist?«
»Nein. Sie sind dunkel. Irgendwie sonderbar. Ich … kann es nicht sagen.«
»In Ordnung. Öffnen Sie die Augen!«
Er sah die fünf Menschen, die ihm gegenübersaßen. Er war wieder in dem Konferenzraum. »Das war reichlich seltsam«, sagte er.
»Wenn wir Zeit hätten«, sagte Fernandez, »würde ich einen professionellen Hypnotiseur damit beauftragen, Sie noch einmal durch den ganzen Abend zu führen. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß so etwas sehr nützlich sein kann. Aber wir haben keine Zeit. Jungs? Es ist jetzt 17 Uhr – ihr macht euch besser an die Arbeit.«
Die beiden Ermittler steckten ihre Notizblöcke ein und gi n gen.
»Was machen die jetzt?«
»Wenn wir die Sache auf dem Prozeßweg verfolgen würden«, erklärte Fernandez, »hätten wir das Recht, potentielle Zeugen zu befragen, das heißt, wir dürften uns mit Angestellten von DigiCom unterhalten, von denen anzunehmen ist, daß sie Dinge wissen, die für den Fall relevant sind. Unter den gegenwärtigen Umständen haben wir jedoch kein Recht, irgend jemanden zu befragen, da es sich hier um ein nicht-öffentliches Schlic h tungsverfahren handelt. Sollte allerdings eine der DigiCom-Sekretärinnen Lust dazu haben, sich nach Diens t schluß von einem gutaussehenden Lieferanten zu einem Drink einladen zu lassen, und sollte im Verlauf des Abends das Gespräch rein zufällig auf das Thema Sex im Büro kommen – nun, dann kann man natürlich nichts machen.«
»Und solche Informationen dürften wir tatsächlich verwe n den?«
Fernandez lächelte. »Warten wir erst mal ab, was wir übe r haupt herausfinden. So, ich möchte jetzt nochmals über einige Punkte in Ihrer Geschichte sprechen, vor allem von dem Augenblick an, in dem Sie beschlossen, doch keinen G e schlechtsverkehr mit Ms. Johnson zu haben.«
»Noch mal?«
»Ja. Aber erst muß ich ein paar andere Dinge erledigen. Ich muß Phil Blackburn anrufen und die morgigen Termine mit ihm vereinbaren; außerdem sind noch einige andere Punkte abz u klären. Wir unterbrechen jetzt und treffen uns in zwei Stunden wieder. Haben Sie eigentlich schon Ihr Büro geräumt?«
»Nein.«
»Dann tun Sie es so schnell wie möglich. Alles Private und potentiell Belastende muß raus. Sie müssen von jetzt an damit rechnen, daß Ihre Schreibtischschubladen durchsucht, Ihre Akten durchschnüffelt, Ihre Post gelesen und telefonische Nachrichten an Sie abgefangen werden. Jeder Aspekt Ihres Lebens ist von jetzt an öffentlich.«
»Okay.«
»Also, gehen Sie Ihren ganzen Schreibtisch und sämtliche Akten durch und entfernen Sie alles, was privater Natur ist.«
»Okay.«
»Wenn Sie für Ihren Bürocomputer Codewörter haben, ve r ändern Sie sie. Und auch aus den elektronischen Dateien muß alles Private raus.«
»Okay.«
»Aber nicht einfach nur entfernen, sondern dafür sorgen, daß es gelöscht
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