Enthuellungen eines Familienvaters
traf, zeigte ich ihr einen Abzug der Zeitung.
„Margherita“, sagte ich stolz, „lies dieses rot unterstrichene Wort!“
„Rom“, las Margherita.
„Sie hatten geschrieben ,Rum’ . Diesen Fehler habe ich gefunden!“ Das süße Geschöpf, das geschwisterlich die Freuden meines halben Päckchens Zigaretten mit mir teilt, lächelte holdselig, und ihre großen, schwarzen, tränenüberfluteten Augen sagten mir: „Giovannino, Giovannino...“
Zwei Frauen
Von Zeit zu Zeit kommt plötzlich ein unbekannter Herr in die ruhigen Räume der Provinzzeitung, legt, kaum daß er die Schwelle des Vorzimmers überschritten hat, Hut und Jacke ab, schleudert sie auf einen Sessel, krempelt die Ärmel seines Hemdes auf, schüttelt den Kopf und ruft aus: „Das muß alles anders werden!“
Da steht der junge Mann an der Kartothek, der die Szene ruhig verfolgt hat, auf, nimmt eine Hand aus der Tasche, schließt die Tür des Redaktionszimmers bis auf einen Spalt und verkündet: „Ein neuer Direktor ist da!“
Wie schnell die Direktoren wechseln! Das ist schon mein sechster, seit ich Margherita stolz verkündet habe: „Diesen Fehler habe ich gefunden!“ Der sechste Direktor! Es sind also schon mindestens zwei Jahre vergangen seit dem ersten Korrekturbogen meines Lebens.
Aber ich kümmere mich nicht übermäßig darum. Ich weiß längst, was mich bei jedem Direktoren Wechsel erwartet.
Während der ganzen Dauer des ersten Direktors blieb ich in meiner Kammer bei den Korrekturbogen. Ein ruhiges Leben ohne dramatische Wendung. Plötzlich kam der neue Direktor. Nachdem er festgestellt hatte, daß die Zeitung ganz falsch gemacht werde, entschloß er sich, die Redaktion zu verjüngen: man müßte frische Kräfte hineinbringen, der Jugend Geltung verschaffen, den Alten untergeordnete Rollen zuteilen.
Die Redaktion der Zeitung bestand aus drei Personen: einem Chefredakteur, einem Lokalredakteur und einem Korrektor. Dazu kamen einige externe Mitarbeiter.
Der zweite Direktor setzte sein Projekt sofort in die Tat um: er nahm mich von den Korrekturbogen weg und versetzte mich in die Lokalredaktion. „Der Jugend Geltung verschaffen!“ Er beförderte den Lokalredakteur zum Chefredakteur.
Und der Chefredakteur kam im Sinne der Verjüngungstendenz zu den Korrekturbogen.
Der dritte Direktor fand, kaum angekommen, daß die Zeitung falsch gemacht würde und verjüngt werden müßte: frische Kräfte einsetzen, der Jugend Geltung verschaffen, den Alten untergeordnete Aufgaben zuweisen. Deshalb versetzte er den Korrektor in die Lokalredaktion, verschaffte der Jugend Geltung, indem er mich aus der Lokalredaktion herausnahm und zürn Chefredakteur beförderte, und teilte den Alten untergeordnete Aufgaben zu, indem er den Chefredakteur in die Korrekturkammer schickte.
Dann kam der vierte Direktor.
Diese hervorragende Persönlichkeit hatte kaum die Schwelle des Vorzimmers überschritten, als sie voll Abscheu den Kopf schüttelte: die Zeitung sei sehr schlecht gemacht. Warum? Weil man keine frischen Kräfte einsetze, der Jugend nicht Geltung verschaffe und die Alten nicht auf Posten von untergeordneter Bedeutung verbanne.
Also wurde der Korrektor zum Lokalredakteur und der Lokalredakteur zum Chefredakteur befördert, ich aber wurde im Sinne der Verjüngungstendenz aus einem Chefredakteur zum Korrektor. Wohl bekomm’s. Der erste Kreis hatte sich geschlossen, und alles kehrte zu seinem Ausgangspunkt zurück. Als beim fünften Direktor der zweite Kreislauf begann, wanderte ich von den Korrekturbogen in die Lokalredaktion, der Lokalredakteur wurde zum Chefredakteur befördert, und der Chefredakteur kam zu den Korrekturbogen. Als beim sechsten Direktor der Chefredakteur zu den Korrekturbogen überging und der Korrektor zur Lokalredaktion, wurde ich zum zweitenmal Chefredakteur.
Was für eine Überraschung kann ein neuer Direktor noch für mich in Reserve haben? Ich mache mir keine Sorgen; es ödet mich nur an, wenn meine Freunde sagen: „Du Glücklicher, mit deiner guten festen Stellung bei der Zeitung!“
Der wahre Jammer ist, daß mit dem Dahingehen der Direktoren auch die Jahre dahingehen: ich werde allmählich dick und fange an zu denken, daß ich mein Leben lang diese alten Mauern anschauen werde. Ich werde sehen, wie mein Friseur alt wird. Eines Tages werde ich an der Straßenecke den Nekrolog auf meinen alten Mathematikprofessor lesen, und es wird mir scheinen, als nehme er in sein Grab alle die Gedanken, alle die Träume, alle die
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