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Enthuellungen eines Familienvaters

Enthuellungen eines Familienvaters

Titel: Enthuellungen eines Familienvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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tyrannischer Vater von südlichem Temperament, der die ganze Nacht wartend und nervös im Zimmer auf und ab geht — wie wird er sich verhalten, wenn seine Tochter nicht heimkommt?
    Die Situation war ernst. Die Stunden vergingen unerbittlich. Man mußte sich entschließen. „Margherita, was tun wir?“
    „Wir trinken Kaffee, dann gehen wir zu Bett“, meinte Margherita. „Die Frau hat gesagt, daß hier zwei Zimmer frei sind.“
    Ich wundere mich nie, wenn eine Frau etwas Unsinniges sagt. Ich kenne die Männer. Sie sprechen oft in den Tag hinein. Und die Frauen sind, im Grunde genommen, genau wie die Männer.
    „Margherita“, warf ich mit äußerster Sanftmut ein, „und dein Vater? Und deine Mutter? Was werden sie denken, wenn du nicht heimkommst? Margherita, ich habe die Pflicht, dich daran zu erinnern, daß du zwar mit mir zusammen glücklich das achtundzwanzigste Lebensjahr erreicht hast, aber immer noch den Gesetzen unterstehst, die das tägliche Leben deiner Familie bestimmen.“ Margherita schlug die Augen nieder; und während sie aus Brotkugeln symmetrische Häufchen baute, sprach sie mit einer Stimme, die aus weiter Ferne zu kommen schien: „Als ich das Licht der Welt erblickte, machte mein Vater eine unmutige Geste; er hatte sich einen Sohn männlichen Geschlechts gewünscht, ich aber war, was ich immer noch bin, eine Tochter weiblichen Geschlechts. Mein Vater war ein Mann von Charakter; nachdem er die Unmöglichkeit eingesehen hatte, das Übel aus der Welt zu schaffen, packte er seine Koffer und fuhr nach Amerika. Dort angekommen, richtete er an meine Mutter die Botschaft: ,Wer mich liebt, möge mir folgen!’ Angesichts der Tatsache, daß ich im Alter von zwei Monaten meinem Vater nicht in Liebe zugetan sein konnte, fand meine Mutter, daß sie die einzige Person sei, die ihn liebe. Sie übergab mich darum mit tausend Segenswünschen einer unverheirateten Tante und fuhr ihrem Gatten nach. Diese Tante, die nicht ganz mittellos war, zog mich liebevoll auf. Als ich das sechste Jahr vollendet hatte, kam ein Brief, in dem mein Vater sich verpflichtete, ihr ein angemessenes Monatsgeld auszusetzen, bis ich nach Ablegung der Reifeprüfung imstande sein würde, meinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Meine arme Tante wurde es müde, auf dieser Erde zu bleiben, und zwar gerade an dem Tag, an dem ich ins Lyzeum eintrat. Seit damals habe ich von der Rente, die mir mein Vater schickte, allein gelebt. Am Ende jedes Jahres sandte ich ihm meine Zeugnisse, und er ersah daraus, daß ich immer noch das Lyzeum besuchte. Mein Vater, ein Mann von Charakter, hielt Wort. Aber jetzt habe ich das Lyzeum seit vier Jahren hinter mir; und mit dem Ankauf einer großen Reisetasche und eines Koffers ist das Geld verbraucht, das ich klugerweise von den Monatsrenten abgespart hatte.“
    Ich wundere mich nie, wenn Frauen unsinnig reden, ich wundere mich jedoch, wenn sie vernünftig reden. In diesem Fall hatte ich freilich auch Grund, mich zu beunruhigen. Und ich beunruhigte mich. „So hast du mich also, obwohl du ganz allein lebst, dreizehn Jahre lang glauben gemacht, du seiest das Opfer eines tyrannischen Vaters! Das ist ernst, Margherita. Du bist also nicht aus Liebe zu mir, sondern aus Liebe zur monatlichen Rente durchgefallen! Margherita, ich muß dir zu meinem Bedauern mitteilen, daß du berechnend gehandelt hast.“
    Margherita lächelte. „Giovannino, wenn ich berechnend gehandelt hätte, hätte ich nicht nach neun Jahren die Reifeprüfung abgelegt. Ich hätte das Studium bis ins Alter fortgesetzt. Und die Rente hat mir ja nicht nur das Leben ermöglicht, sondern auch das tägliche Beisammensein mit dir.“
    „Margherita, wenn du aber mit deinem Vermögen am Ende warst, warum hast du für das letzte Geld eine große Reisetasche und einen Koffer gekauft? Das stellt deinen administrativen Fähigkeiten ein schlechtes Zeugnis aus.“
    „Giovannino, wie hätte ich ohne Reisetasche und Koffer meine Kleider und meine Wäsche befördern sollen?“
    „Deine Kleider befördern? Wohin?“
    „Nach Mailand. Sie liegen auf dem Bahnhof; um sie zu bekommen, muß ich nur diesen Schein vorweisen.“
    Ich gestehe, daß ich das Abenteuer liebe. Dennoch war ich einige Zeit sprachlos.
    „Margherita“, stammelte ich schließlich, „du hast deine Bekleidung nach Mailand befördert! Darf ich daraus schließen, daß du die Absicht hast, in dieser Stadt zu bleiben?“
    „Gewiß. Sonst wäre es ja unüberlegt gewesen, das Gepäck Zu

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