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Enthuellungen eines Familienvaters

Enthuellungen eines Familienvaters

Titel: Enthuellungen eines Familienvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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sie zwar von diesem Vorhaben abgebracht werden; aber mit der Befana versöhnte sie sich nicht. Albertino schien im ersten Moment von den Waggons und der Lokomotive entzückt; dann merkte er, daß ein Zug ohne Gleise kein richtiger Zug ist, und geriet auch seinerseits in Wut.
    „Und was soll ich sagen ,“ rief ich. „Ich, der ich nur den Bahnhof und das Schaltbrett bekommen habe? Was ist ein Bahnhof ohne Schienen und ohne Züge?“
    „Sei still, du Aff!“ rief Carlotta.
    Was soll ein Vater in einer solchen Lage tun? Er kann nichts anderes, als in Wut geraten. Und so geriet ich denn in Wut. Margherita zog die Bilanz. „Eine glänzende Idee!“
    „Ja, glänzend“, antwortete ich. „Bisher hat der persönliche Egoismus die Oberhand und verrammelt den Individuen jede Möglichkeit zur vernünftigen Überlegung. Aber gleich wirst du merken, wie die Vernunft sich Bahn bricht und den Egoismus überwindet. Da die beiden Individuen sehen, daß jedes nur eines der drei Elemente besitzt, die ein System (die Eisenbahn) ausmachen, werden sie eine vernünftige Übereinkunft treffen, die eine Zusammenarbeit ermöglicht. Es wird ein sehr interessantes Experiment sein, Margherita.“
    Nach einiger Zeit suchte mich das weibliche Individuum in meinem Arbeitszimmer auf.
    „Wenn du mir den Bahnhof gibst“, sagte sie, „gebe ich dir einen langen roten Geldschein.“
    Der lange rote Geldschein ist für Carlotta ein Zehntausender.
    „Und woher nimmst du den langen roten Schein?“ fragte ich sie. „Ich habe ihn schon genommen. Wenn du mir die Station gibst, gebe ich dir einen langen roten Schein mit einem mageren Mann vorn und vier dicken Männern hinten.“
    „Woher hast du ihn?“
    „Meine Sache“, sagte Carlotta.
    Ich weigerte mich entschieden. Das Individuum bluffte offensichtlich. Es sondierte das Terrain. Denn selbst wenn es zwischen den Kindern des Hauses einen kleinen Geschäftsverkehr gab, war es unmöglich, daß Carlotta zehntausend Lire besaß.
    Carlotta ging hinaus.
    Dann kam Albertino.
    „Wenn du mich ein bißchen mit dem Bahnhof spielen läßt“, sagte Albertino, „sage ich dir, wo Carlotta den roten Zehntausend-Lire-Schein versteckt hat, den sie dir aus der Brieftasche genommen hat.“ In der Brieftasche fehlte tatsächlich ein Zehntausender. Die Sache war ernst.
    „Wir sind in der zweiten Phase“, erklärte ich Margherita. „Der persönliche Egoismus ist noch lebendig, aber die vernünftige Überlegung arbeitet schon. Die Individuen haben verstanden, daß ein einziges Element nicht genügt, sondern daß man die beiden anderen gewinnen muß. Sie überlegen, aber noch egoistisch. Jedes sucht die beiden anderen Stücke zu gewinnen, um sich des ganzen Systems zu bemächtigen. Margherita, was stelle ich dar?“
    „Den Dummen“, antwortete Margherita unbefangen.
    „Nein, Margherita; ich stelle hier das Kapital dar. Das Kapital, welches vom Proletariat (Carlotta) erpreßt wird. Und Albertino ist der Mittelstand, der, um nur einen kleinen moralischen Vorteil zu haben, mit dem Kapital gemeinsame Sache macht und sich gegen das Proletariat stellt. Der Schlüssel des Ganzen liegt im Verhalten des Kapitals. Wenn das Kapital dem Druck des Proletariats weicht, ist es erledigt. Es muß geschickt den Mittelstand ausspielen.“
    Ich spielte geschickt den Mittelstand aus. „Bravo, Albertino“, sagte ich. „Ich werde dich mit dem Bahnhof spielen lassen. Aber du mußt mir helfen, den Zehntausender wiederzugewinnen.“
    Der Mittelstand ging gegen das Proletariat los, und kurz darauf hörte ich laute Schreie aus dem Kinderzimmer dringen. Dann wurde die Tür aufgerissen, und Carlotta erschien.
    „Sie hat den Schein in den Mund gesteckt und sagt, wenn du ihr den Bahnhof nicht gibst, ißt sie ihn auf!“ schrie Albertino.
    Das Proletariat war schrecklich anzusehen. Es konnte nicht sprechen, aber in seinen Augen war die ganze Oktoberrevolution.
    Nun mußte das Kapital dem Druck weichen. Ich gab den Bahnhof preis, aber das Proletariat hatte nun einmal zu marschieren begonnen und blieb nicht auf halbem Wege stehen. Es gab zu verstehen, daß es auch die Waggons und die Lokomotive Albertinos wolle. Und so nahm ich Albertino alles mit Gewalt weg. Der Mittelstand mußte draufzahlen. Er geriet darob in Wut, aber es wurde ihm sowohl vom Kapital als auch von der Polizei (Margherita) sehr übel mitgespielt.
    „Ein großartiges Experiment“, bemerkte Margherita.
    „Ein sehr gutes, meine Gnädigste. Wir haben jetzt das

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