Enthuellungen eines Familienvaters
Tischlers.“
Margherita schüttelte melancholisch den Kopf.
„Sonderbar“, bemerkte sie. „Es ist mir entgangen, daß Tischler nicht gewohnheitsmäßig atmen. Aber wenn es Pappi sagt, der mehr studiert hat als wir und in den Zeitungen schreibt, dann muß es so sein. Gut: der Tischler atmet nicht.“
Albertino wurde besorgt. „Wenn der Tischler nicht atmet, bedeutet das, daß er stirbt. Also hatte ich recht.“
„Nun sind wir wieder bei dem toten Tischler angelangt“, seufzte Margherita. „Und wir werden das Geheimnis seiner handwerklichen Tätigkeit nie entdecken, weil der Brave beim Sterben sein Geheimnis mit ins Grab nimmt. Aber wir werden uns ohne ihn behelfen. Schreib, Albertino: .Der Tischler übt seinen Beruf aus.“1 „Alle üben ihren Beruf aus oder glauben, es zu tun“, warf ich ironisch ein. „Das ist keine spezifische Handlung des Tischlers.“
„Was? Wenn das Ausüben seines Berufs keine spezifische Handlung des Tischlers ist, könnte er auch ganz ruhig einen anderen Beruf ausüben. Den des Zimmermanns zum Beispiel.“
Ich antwortete Margherita, sie komme mir vor wie eine komische Figur in einem Lustspiel. Dann fixierte ich Albertino scharf. „Gib acht, was ich dir sage, und antworte: bist du jemals in der Werkstatt eines Tischlers gewesen?“
„Ja.“
„Und was machte der Tischler?“
„Er flickte sich gerade einen Schuh.“
Ich schrie, daß die Schuhmacher die Schuhe flicken, nicht die Tischler; aber da begann Margherita angewidert zu lachen. „Wer verbietet ihm, sich einen Schuh zu flicken? Das Arbeitsamt?“
„Einverstanden“, kreischte ich, „aber der Tischler verbringt seine Zeit nicht damit, Schuhe auszubessern! Verstehst du das oder nicht?“
„Beruhige dich! Ich wollte nur das Prinzip der Handlungsfreiheit feststellen, natürlich in den Grenzen des Erlaubten. Wenn wir den Tischlern verbieten, Schuhe zu flicken, weil nur Schuhmacher die Schuhe flicken dürfen, dann pfeif ich auf die Demokratie.“
Ich flehte Albertino an, intensiv an die Werkstatt des Tischlers zu denken. Er möge trachten, sich an irgendein Arbeitsgerät zu erinnern; wenn ich ihm jetzt etwas suggerierte, war alles unnütz. Er, nicht ich, mußte ja lernen, vernünftig zu überlegen und zu beobachten.
„Hammer!“ rief Albertino schließlich. Und ich freute mich mit ihm über seine Beobachtungsgabe und regte ihn an, sie zu vertiefen. „Jetzt, da wir entdeckt haben, daß der Tischler einen Hammer hat, denken wir ein wenig nach: was macht der Tischler mit diesem Hammer?“
„Der Tischler knackt Nüsse“, teilte mir Albertino mit viel Schonung und Würde mit.
„Das ist schon ein guter Schritt vorwärts“, frohlockte Margherita. „Ich gebe zu, daß es nicht gerade eine gewohnheitsmäßige Handlung des Tischlers ist, mit dem Hammer Nüsse aufzuknacken, doch muß man anerkennen, daß der Knabe bereits auf dem richtigen Wege ist. Die Tatsache, daß er ihn die Nüsse nicht beispielsweise mit einem Bügeleisen aufknacken läßt, bedeutet immerhin, daß das Kind vernünftig überlegt hat. Vorwärts, Albertino, gib gut acht: Was macht der Tischler mit diesem Hammer noch, außer Nüsse aufknacken?“
„Ich weiß!“ rief Albertino. „Der Tischler schlägt mit dem Hammer einen Nagel in die Wand.“
Begreifen Sie meine Wut? Die Werkstätten der Tischler sind vollgepfropft mit Holz, die Wände sind buchstäblich verdeckt von großen und kleinen Brettern, kleinen und großen Sperrholzplatten, großen und kleinen Holzleisten, der Fußboden ist übersät mit Holzstücken, und sogar der Plafond ist durch diverse Hölzer verborgen, so daß es praktisch unmöglich ist, einen Quadratzentimeter freier Wand zu finden. Aber wenn Albertinos Tischler einen Nagel einschlägt, muß er ihn ausgerechnet in die Wand einschlagen.
Mein Herz war voll Bitterkeit. Ich wendete mich mit einem betrübten Blick zu Carlotta, die mit offenkundigem Mißfallen und würdevoller Reserve die Szene beobachtete.
Carlotta sah mich mit ihren großen runden Augen an.
„Der Tischler macht kack“, sagte sie sanft.
Und endlich fühlte ich mich verstanden. —
Ich sagte zu Albertino, wenn achtmal zehn achtzig gebe, sei es logisch, daß achtzig, dividiert durch acht, zehn gebe. Das ist der Grundbegriff der Division. Albertino antwortete, er habe verstanden; aber trotzdem konnte er zwar sechzig durch sechs, aber nicht achtzig durch acht dividieren.
„Es ist ganz das gleiche: wenn achtzig, durch acht dividiert, zehn gibt, so gibt
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