Entscheide dich, sagt die Liebe
Fenice debütiert. Und heute ist er aus Salzburg angereist, der Stern, um den fünfzigsten Geburtstag der Contessa Minotti mit uns zu feiern. Spart nicht mit Applaus, liebe Freunde, und begrüßt mit mir: Signorina Clara Prachensky.« Stolz und kindliche Freude schwangen in Paolos Stimme mit und er klatschte am lautesten von allen.
Dann öffnete sich die Tür wie von Geisterhand. Die Pianistin schwebte herein. Mit leichten, federnden Schritten durchquerte sie den Salon und steuerte den Konzertflügel an, den Paolo extra für diesen Anlass angemietet hatte. Es war ein glänzend schwarzer Fazioli-Flügel, dessen Resonanzboden angeblich aus demselben Holz gemacht war, aus dem Stradivari seine berühmten Geigen gefertigt hatte.
Als er das Gesicht der Pianistin sah, erschrak Daniele. Wie blass sie war! Wie eingefallen ihre Wangen! Bei ihrem Konzert in der Fenice waren sie ihm rosig erschienen. Er erinnerte sich an kraftvolle Gesten, resolute Schritte. An ein weißes gebauschtes Kleid, das ihn an einen Schwan hatte denken lassen. Heute trug sie ein schlichtes schwarzes Gewand, das ihre mädchenhafte Figur betonte. Sie strich es glatt, ehe sie sich setzte, und verstellte den Hocker. Mit einer nachlässigen Bewegung warf sie ihren Zopf zurück.
Dann legte sie die Hände auf die Klaviatur, verharrte einen Moment in tiefer Konzentration, als müsste sie die Launen des Instruments erspüren, und begann zu spielen. Ihre Finger sausten über die Tasten, grazil und anmutig, molto leggiero, als wäre alles nur eine Bagatelle, mühelos und keinesfalls schweißtreibend. Und dabei entlockte sie dem Flügel Töne, wie Daniele sie noch nie gehört hatte. Er wusste nicht, was sie da spielte. Ob es Liszt war oder Chopin oder irgendein anderer Komponist. Er wusste nur, dass die Musik ihn verzauberte, ihn, der mit klassischer Musik eigentlich nicht viel anfangen konnte. Und er fragte sich, ob das alles wirklich passierte, jetzt, in diesem Augenblick. Saß er tatsächlich mitten unter Aristokraten und Millionären im Salon der Minottis und lauschte den Klavierklängen? Oder lag er in Wahrheit in seiner Dachkammer im Bett und träumte nur? Dann möchte ich lange nicht aufwachen, dachte er und starrte wie gebannt auf die tanzenden Hände der Pianistin.
Und plötzlich war der Arlecchino in seinem Kopf! Der fröhliche vorwitzige Kerl, den er vor zwei Jahren gebastelt hatte. Seither lag er halb fertig herum. Sein Pappmascheekopf wartete ebenso auf Vollendung wie sein Kostüm aus bunten Flicken. Aber Daniele hatte hundert Ausreden gehabt, keine Zeit, keine Lust, Liebeskummer, zu wenig Stoffreste. Bis er gar nicht mehr gewusst hatte, welchen Gesichtsausdruck er dem Guten verpassen wollte. Jetzt sah er ihn vor sich, in aller Deutlichkeit, sah den breiten, rot geschminkten Mund, die runden Augen, die unter der schwarzen Halbmaske blau hervorblitzten, den Hut mit dem Hasenschwanz. Der Arlecchino begann, sich in den Hüften zu wiegen und mit seinen Marionettenbeinen zu schlackern. Wie es seiner Art entsprach, wurde er frech. Er schlug mehrere Purzelbäume und sprang mit wenigen Sätzen auf die Tasten, wo er den Händen der Pianistin nachjagte. Er flog und hüpfte mit ihnen um die Wette, fuchtelte mit seinem lächerlichen Holzschwert herum, um sie einzuschüchtern, ergriff dann selbst die Flucht, als sie unbeirrt auf ihn zusausten. Er lachte wie eine Geiß, wenn die Pianistinnenfinger lostrillerten. Mit hängenden Schultern schlurfte er nach Moll und lauschte einem wehmütigen Akkord nach, um im nächsten Moment den Händen zuvorzukommen und ins unbeschwerte Dur zurückzuhüpfen. Vor Freude schlug er einen Salto und pfiff dabei die Melodie nach, die der kleine Pianistinnenfinger aus den Tasten knetete.
Daniele hatte genug. Er zog den unverschämten Kerl an seinen Fäden zurück und verstaute ihn in der linken Tasche des Sakkos. Doch da hatte er die Rechnung ohne Colombine gemacht! Aus dem Nichts tauchte sie auf und sah ihn vorwurfsvoll an, die Hände aufreizend in die Hüften gestemmt. Sie nahm auf der Schulter seiner brünetten Nachbarin Platz und begann, ein herzzerreißendes Lied zu singen. Ihre höchsten Töne gerieten ein wenig schief, aber sie legte so viel Gefühl in die Musik, dass sie selbst weinen musste. Ergriffen von der Melodie und einer unbestimmten Sehnsucht, begann sie, unkontrolliert zu schluchzen. Daniele reichte ihr ein Taschentuch, damit sie sich nicht in ihre Rüschenärmel schnäuzen musste. Während sie an ihren großen
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